Bis zum Hals
bei unserer gemeinsamen Flucht deutlich schwerer vorgekommen war als vorher, als auf der Hinfahrt.
Noch so ein Rätsel, das Opfer von Hektik, Panik, Übermüdung geworden war.
Es ist nicht schön, sich eingestehen zu müssen, ein Idiot zu sein.
Doch da ist nichts auf dem weiten Felde der Idiotie, das Kristof Kryszinski, wenn man ihn lässt, nicht noch zu toppen verstünde.
Ich zog die E-Plus-Listen aus meiner Jackentasche, glättete sie, nahm sie mir vor. Vom unteren Ende her diesmal.
Wie warm es doch werden kann, so mitten im Sommer, mitten im Wald, mit der Sonne Bang mitten auf der Glocke und mittendrin in der Erkenntnis, dass man sich am liebsten auf der Stelle in Froschlaich ertränken würde.
Von Dimitrijs Handy aus war auch nach seinem Ableben noch fleißig telefoniert worden. Besonders fleißig seit ich es Anoushka überlassen hatte, und ganz besonders emsig in den letzten 24 Stunden. Auffallend häufig mit zwei ganz bestimmten Nummern.
Und sie gehörten beide Drecksack Deckart.
Langsam faltete ich die Blätter zusammen, verfrachtete sie wieder in die Jacke, ließ mich ganz, ganz langsam auf dem Steg nieder und war sofort wieder auf den Beinen, als eine Stimme aus dem Gestrüpp forderte: »Hinstellen! Und Hände, wo ich sie sehen kann!«
Es war der Duisburger Kripo-Beamte, und er stand mir noch nicht ganz gegenüber, als ein halbes Dutzend schwanzwedelnder Hunde durchs Gebüsch brach, ihre rustikal gekleideten Führer an langen Leinen hinter sich herzerrend.
Der größte der Meute, ein Klotz von einem blonden Mischlingsrüden, kam schnurstracks auf mich zu, schnüffelte, japste, sprang mich an und hätte mich damit um ein Haar rücklings in den verdammten Glibber geschickt.
»A-ha«, machte der Kommissar wissend.
»Was heißt hier ›A-ha‹?« fragte ich genervt, konfus, überfordert. Genauso plötzlich, wie er mich angesprungen hatte, ließ der Hund von mir ab, eilte zum Steg und begann, vehement darunter zu wühlen.
»Das ist ein Drogen-Hund«, ließ mich der Beamte wissen.
»Und was ist mit den anderen?« Keiner der übrigen Japser und Wedler nahm auch nur die geringste Notiz von mir oder dem Loch unterm Steg. »Wonach suchen die?«
»Sprengstoff. Das ist, mal im Vertrauen, alles, worum es heutzutage noch geht. Für Drogen interessiert sich kein Aas mehr. Den Kampf haben wir verloren.«
Jetzt war’s an mir, »A-ha« zu sagen.
»Was natürlich nicht bedeutet«, fuhr er fröhlich fort, »dass wir Sie jetzt nicht vorläufig festnehmen, durchsuchen und verhören werden, wo der Hund einmal angeschlagen hat.«
Ich leerte geduldig meine Taschen auf den Steg, bat nur darum, ein Telefonat führen zu dürfen, bekam ein Handy gereicht, rief Menden an, erklärte ihm, was los war, und gab ihn an den Duisburger weiter. Der ging ein paar Schritte zur Seite, während ich mich wieder hinhockte und dabei zusah, wie rings um uns das ganze Geschnüffel allmählich ohne greifbares Ergebnis verebbte. Irgendjemand machte Fotos vom Erdloch unterm Steg. Der blonde Mischling kam zurück zu mir und zog sich, was von Scuzzis Koks noch an mir haften mochte, mit allen Anzeichen von Vergnügen in die große, feuchte Nase. Er hieß Bronco, erfuhr ich von seinem Halter, dem der vertrauliche Umgang des Hundes mit einem Verdächtigen sichtlich unbehaglich war.
Ich hatte Bronco auf den Rücken gedreht, und er benagte meine Wade, während ich ihm den Bauch kraulte, als der Kommissar sein Handy wegsteckte und sich wieder an mich wandte.
»Der Mülheimer Kollege ist der Ansicht, größere Verdachtsmomente gegen Sie bestünden erst, wenn einmal keine Spuren von Drogen an Ihnen feststellbar wären«, meinte er trocken.
Ich sammelte meinen Kram wieder ein und wir schlugen uns zusammen zurück durchs Gebüsch.
»Darf ich fragen, was genau Sie hier machen?«, fragte ich vorsichtig.
»Amtshilfe für …«, er zögerte, legte sich die Worte zurecht, »… einen Dienst, der über keine eigenen Hunde verfügt und sich für die Umstände dieser Brandstiftung interessiert. Und Sie?«
»Exakt dasselbe«, antwortete ich.
Er sah mich von der Seite an. »Sie haben großes Glück, so protegiert zu werden, vom Kollegen Menden«, meinte er nur schwach amüsiert. »Verderben Sie es sich nicht mit ihm.«
Ich versprach’s, und sie packten ihre Hunde ein, auch Bronco, und ich wartete, bis sie davongefahren waren.
Mein Arbeitsspeicher ratterte frenetisch vor sich hin. Drogen! Ich hatte recht gehabt. Ich startete, wendete, ließ den
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