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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Vierteln Moskaus. Also nichts Ungewöhnliches bei einem Typen wie Dimitrij, wenn er da groß geworden ist. Aber bei einer Lehrerin? Kristof, sei ehrlich.«
    Hm. Ey, Alter, zeig misch deine Hausas, oder isch mach disch Krankenhaus. Nur schwer vorstellbar, da musste ich ihm recht geben.
    »Aber … ihr Deutsch ist fehlerfrei.«
    »Ja, Kristof. Ich hab ja auch nicht gesagt, dass sie keine Lehrerin ist. Sie hat halt nur nicht in Russland oder zumindest nicht in Russisch unterrichtet.«
    »Sondern?«
    Leonid zuckte die Achseln. »Das Sowjetreich war groß, Kristof, und die Staaten mit vorwiegend dunkelhaarigen Einwohnern sind über den gesamten Süden und Südwesten verteilt.«
    Von der Schwarzmeerküste bis hoch in den Kaukasus, dachte ich, und dachte erst mal nicht weiter.
    Der Austausch großer Werte in einer Welt ohne gesetzliche Kontrolle ist ein heikler Vorgang. Warum soll ich mich von meiner Gegenleistung trennen, wenn ich genauso gut dich berauben/umbringen und damit in der gleichen Zeit doppelt verdienen kann?
    Diese Mentalität macht den Moment der Übergabe immer etwas kitzlig, um nicht zu sagen, rasend gefährlich.
    Ich konnte nur hoffen, dass Anoushka zur Besinnung kam, bevor sie sich allein mit jemandem von Deckarts Kaliber traf. Und bevor Tshukev und Partner ihre Fährte wieder aufnahmen …
    Mir war elend. Ich bog ab auf die Autobahn, ließ rollen. Irgendwohin. Auf der Flucht wie auf der Suche, momentan ziellos, ratlos.
    Anoushka ließ ihr Handy ausgeschaltet. Das zog mich weiter runter.
    Wieso vertraute sie mir nicht? Ich weigerte mich, zu glauben, dass sie mich einfach nur ausbooten wollte. Sie brauchte ja noch nicht mal mit mir zu teilen! Warum hatte sie sich dann entschieden, ausgerechnet den heikelsten Teil, den Verkauf, die Übergabe, alleine durchzuziehen?
    Dann kroch es an mir hoch. Langsam, schauerlich. Wie das Wasser der einsetzenden Flut an den Waden des verirrten Wattwanderers.
    Es gab nichts zu teilen. Es ging nicht um Geld. Anoushka wollte nichts verkaufen. Sie wollte tauschen. Ware gegen Ware.
     
    Der Hummer bog von der Bahn ab und rollte wenig später nach Hageroth hinein, das unter einem bleischweren Himmel vor sich hin schmurgelte wir eines von Edna Mohrs ewigen Pfannengerichten.
    Aus Gründen der Diskretion, wenn nicht des Verfolgungswahns, fuhr ich ein Stück in die Siedlung hinein und stellte den Wagen hinter der Kirche ab, im Schatten einer mitgenommen aussehenden Kastanie.
    Früher hat es in der Ruhr-City jeden zweiten Tag geregnet, selbst im Sommer, und weder der Baum noch ich waren wirklich glücklich mit den neuen Wetterverhältnissen.
     
    Kaum dass ich gebimmelt hatte, wurde die Tür auch schon aufgerissen.
    »Wieso hast du mir nicht gesagt, dass sie ihm die Haut abgezogen haben?!«, hallte es von den Reihenhausfassaden ringsum zurück.
    Charly Zimmermann reüssiert erneut damit, seine Nachbarn auf Distanz zu halten.
    »Hab ich nicht?«
    »Nein! Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Das bedeutet nichts anderes, als dass der Mord an Moodie eine interne Angelegenheit war!«
    »Intern? Ja, aber …«
    »Und ich renn mir die Hacken ab und telefonier mir das Maul fusselig, um rauszukriegen, ob die Banditos dahinterstecken! Willst du wissen, was ihr Präsident zu mir gesagt hat?!«
    »Mal langsam«, bat ich, doch Charly war einmal in Fahrt.
    »Sie haben Fred Fuhrmann gehäutet, um ihm seine Hell’s-Angels-Tätowierungen zu nehmen. So was nennt man anderswo ›Ausschlussverfahren‹. Und dann, so gehen die Gerüchte, hat Drecksack selber den Hammer geschwungen!«
    Ein Blitz durchfuhr mich im Schneckentempo, ließ mir Zeit, die enorme Hitze zu spüren, die die Reibung des Elektrizitätsflusses durch den Widerstand meines Körpers erzeugte.
    »Weißt du jetzt, was ich meine, wenn ich sage: Halt dich da raus!?«
    Wenn das stimmte, wenn Drecksack selber seinen Mit-Angel Moodie liquidiert hatte, dann …
    Dann war das ein, tja, ein ziemlicher Geniestreich von mir gewesen, ihm meine Hilfe bei der Aufklärung anzubieten.
    Ich brauchte kurz den Türrahmen als Stütze, meinem Gleichgewichtssinn war nicht länger zu trauen.
    »Ja, aber wieso denn? Ich denke, Deckart belohnt alle seine Brüder, die jetzt rauskommen, mit fetten Jobs?«
    Charly beruhigte sich etwas. »Vor der großen Razzia haben die Angels damals einen Tipp gekriegt. Fred ›Moodie‹ Fuhrmann bekam den Auftrag, einen Teil des Waffenarsenals in Sicherheit zu bringen. Seither ist das Zeugs verschwunden. Spurlos. Fred hat

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