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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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– abrasiert. Interessant, nicht? Und noch etwas.«
    Er schob ein Lid des Toten hoch, legte ein glänzendes, blickloses, blaues Auge frei, hob dann das andere, gleichfalls blicklos, aber stumpf und braun dabei.
    »Dimitrij Jalnikow trug gefärbte Kontaktlinsen. Bitte fragen Sie mich nicht nach den Motiven. Das fällt mehr in Ihr oder Mendens Ressort.«
    »Um der Beschreibung im Pass zu entsprechen«, dachte ich laut. »Was ist denn mit seinem Pimmel passiert?«
    »Beim Aufprall abgerissen. Müsste sich in dem Beutel zwischen seinen Füßen befinden. Soll ich ihn für Sie rausholen?«
    »Nein, nein.« Irgendwie, dachte ich, wäre es vielleicht ganz gut, wenn Anoushka den Leichnam so nicht zu Gesicht bekäme. Andererseits war das allein ihre Entscheidung.
    »Wann wollen die Russen kommen?«
    »Früher Nachmittag.«
    »Ich gehe jetzt und informiere seine Witwe. Ich denke, sie wird ihn noch mal sehen wollen. Doch das muss dann komplett unter uns bleiben. Kann ich mich darauf verlassen?«
    Dr. Korthner hob seine bebrillten Augen und sah mich an.
    »Mittlerweile hoffe ich beinahe, mal in Schwierigkeiten zu geraten«, meinte er. »Nur um die ganzen Gefallen zurückfordern zu können, die Sie mir bis dahin schulden werden.«
     
    Okay, dachte ich. Sag’s ihr, nimm sie mit, sei ihr eine Stütze, aber halt dich zurück. Versuche so gut es geht die Tatsache zu verschleiern, dass im Endeffekt du es mit deinem Auto gewesen bist, der Dimitrij …
    Halt, stopp mal. Dimitrij? Der Typ hatte sich einer radikalen optischen Veränderung unterworfen, um der Beschreibung in einem geklauten oder gekauften Pass zu entsprechen, und … den Namen des Inhabers angenommen. So wie … Anoushka … den seiner Frau.
    Okay, dachte ich. Sag’s ihr, nimm sie mit, sei ihr eine Stütze, halt dich erst mal zurück. Und dann fahr mit ihr irgendwohin, wo es ruhig ist, und nimm sie ins Gebet.
    Vielleicht … mein Fuß fand die Vollgasstellung des Pedals fast ohne mein Zutun, … vielleicht ist sie überhaupt nicht seine Witwe, sondern nur … seine Partnerin, seine Komplizin?
    Vielleicht könnten wir, wenn ich es geschickt anstellte, wenn ich für einmal so etwas wie Fingerspitzengefühl entwickelte, vielleicht könnten wir gegenseitig mit kleineren und größeren Geständnissen beginnen?
    Stell dir vor, sie ist gar keine Witwe. Stell dir vor, der Typ war ihr im Grunde egal …
    Manche Leute haben einfach ein Gespür dafür, wann es opportun ist, jemanden anzurufen.
    »Dieser Moritz Deckart, der hat ’ne Akte, daneben wirkt deine geradezu anämisch, Kryszinski.«
    Hufschmidt. Irgendwie plagt mich manchmal das Gefühl, der Mann ist mir gegenüber nicht wirklich unvoreingenommen.
    »Drogenhandel, Menschenhandel, Waffenhandel, Förderung der Prostitution, Bandendiebstahl, besonders schwerer Raub. Und, soll ich dir was sagen? Nie verurteilt. Immer aufgrund häufig äußerst wackliger Alibis oder weil einer aus seiner Gang für ihn rangegangen ist freigekommen.«
    »Irgendwas Aktuelles?«
    »Anzeige wegen Körperverletzung, versuchter Erpressung, Sachbeschädigung und noch ein paar anderer Delikte. Schwebendes Verfahren, zurzeit.«
    Tina wohnte ausgerechnet im miefigen Dümpten, ein Ortsteil, den eine Umgehungsstraße vom Rest der Stadt isolieren soll, und obwohl ich die Idee begrüßte, musste ich doch an mich halten, die ganzen für die Umsetzung eingerichteten Absperrungen nicht einfach niederzuwalzen.
    »Worum geht’s?«
    »Deckart steht mit der Expansion seines – übrigens wieder mal rätselhaft finanzierten – Gastro-Imperiums in Konkurrenz zu einem Verbund russischer Investoren, und das Klima wird allmählich rauer.«
    Eine Gleisbaustelle machte eine weitere ampelgesteuerte Umleitung nötig, doch ich fuhr einfach geradeaus und scheuchte die Arbeiter mit der Hupe beiseite.
    »Russische Investoren«, echote ich.
    »Blütenweiße Westen, Kryszinski. Nicht, was du denkst. Angemeldete Gewerbetreibende, Steuerzahler, Sponsoren. Gut, keiner weiß, woher genau sie ihr Geld haben, aber Geld haben sie, und sie investieren es transparent und, soviel wir wissen, legal.«
    Ich geriet kurz in Versuchung, ihm zu danken, und sei es nur, um ihn loszuwerden, doch Hufschmidt kam mir natürlich zuvor.
    »Und jetzt bist du dran«, forderte er. »Spuck mal aus, was du so in Erfahrung gebracht hast.«
    Also wimmelte ich ihn mit dem Hinweis ab, anders als manche nicht nur ein paar Tasten drücken zu müssen, damit die Informationen sprudeln, und hängte ein. Stoppte

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