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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Rückspiegel sah ich, wie im Haus hinter mir eine Gardine beiseite geschoben wurde. Eine unrasierte Säufervisage stierte lauernd.
    »Pierfrancesco, du alte Made, was willst du?«
    Es erstaunt mich stets aufs Neue, mit wem Scuzzi so alles Geschäfte macht. Und immer noch lebt.
    »Hier ist Kristof«, stellte ich richtig.
    Ein Grunzen antwortete.
    »Pass auf«, sagte ich. »Ich weiß inzwischen Bescheid. Ich hab das Geschäft mit angeleiert und ich will meinen Anteil. Falls nicht, kann ich dafür sorgen, dass der komplette Deal durchfällt, in großem Stil. Drücke ich mich klar genug aus?«
    Grunzen.
    »Ich schlage vor, wir treffen uns an gleicher Stelle und handeln die Details aus.«
    »Um zwölf. Heute Abend.« Eingehängt.
    Mitternacht. Wie stimmungsvoll.
    Hastig wählte ich die nächste Nummer. Kaltluft strömte aus den verschiedenen Düsen, sehr angenehm, denn mir war fiebrig. Kaltluft, das können sie, die Amis. Da macht ihnen keiner was vor.
    »Hufschmidt, Kripo Mülheim.«
    »Wo hat Fred Fuhrmann zuletzt eingesessen? Wuppertal?«
    »Kryszinski?«
    »Los, beantworte meine Frage!«
    »Ja, klar, Wuppertal! Bandenkriminalität, was meinst du denn?!« Ich hatte ihn auf achtzig, das war gut. Macht ihn immer ein bisschen wirr, wenn er sich aufregt.
    »Okay«, schnauzte ich, »du fährst jetzt auf der Stelle da raus und greifst dir seinen letzten Zellenkumpel.«
    »Wie kommst du …«
    »Versprich ihm Hafterleichterung oder was du willst, lüg das Blaue vom Himmel herunter, aber finde heraus, was genau Fred ›Moodie‹ Fuhrmann vorhatte, sobald er auf freien Fuß gesetzt wurde.«
    »Wie kommst du dazu, mir Befehle zu erteilen, Kryszinski?!«
    »Pass auf …«
    »Nein, jetzt passt du mal auf! Mir stinkt das gewaltig, was du hier abziehst! Ich liefere dir hier dauernd Informationen, und von deiner Seite, da kommt …«
    »Hufschmidt«, raunte ich, »wir – ich meine, du und ich – wir wissen beide ganz genau, was Hauptkommissar Menden im Grunde von dir hält.«
    Zack. Stille.
    Gemein, ich weiß. Und kein Aber.
    »Was immer Fred Fuhrmann vorhatte zu tun ist der Grund, ist das Motiv für seine Ermordung. Hast du das Motiv, hast du den Täter. Also. Möchtest du’s herausfinden oder nicht?«
    »Dafür brauch ich eine richterliche Genehmigung, Kryszinski.« Rückzugsgefecht.
    »Ja, dann hol dir eine!«, brüllte ich. »Ah, und noch was. Ich muss unbedingt wissen, was genau das war, was Fred Fuhrmann damals beiseite schaffen sollte und was anschließend nie wieder aufgetaucht ist. Ich will die Artikelbezeichnung und die exakten Mengen in Stück oder Kilogramm.«
    »Hör zu, das ist geheime Verschlusssache, kapierst du das?« Er flüsterte jetzt, so geheim war das. »Solche Informationen weiterzugeben kann mich den Kopf kosten.«
    »Was es war und wieviel es war, unbedingt«, wiederholte ich, obwohl mir, wenn ich ehrlich war, vor der Antwort graute.
     
    Wenn du weißt, deine Zeit läuft ab wie Badewasser, macht dich das entweder komplett wuschig, oder es fördert deine Konzentrationsfähigkeit geradezu mirakulös.
    Also: Ich hatte Deckart zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort. Und, was das Beste war, er dachte dasselbe von mir. Das sollte mir – Blick auf die Borduhr – rund zehn Stunden Luft vor ihm und seiner Horde verschaffen. Außer, natürlich, er plante, das Treffen genauso wenig einzuhalten wie ich. Nein – er würde da sein. Er hielt mich für dämlich. Musste er, nach allem, was er bisher von mir so gesehen hatte.
    Ich bemerkte eine Bewegung in meinem Rückspiegel. Saufkopp war in seinem Vorgarten erschienen. Unterhemd, Trainingshose, Arme abwartend und/oder herausfordernd vor der Hühnerbrust verschränkt, versuchte er, mich von seinem Parkplatz wegzusummen. Die Hecke hielt er aber wohlweißlich zwischen uns. Ein Stück weiter stand, unbehaglich mit zwei Reifen auf dem Gehsteig, eine A-Klasse mit breiten, polierten Chromfelgen.
    Ich ruckte den Rückwärtsgang rein, setzte umsichtig zurück, fuhr davon. Man muss jemanden nicht mögen, um ihm einen Triumph zu gönnen. Manchmal reicht Mitleid.
     
    Ata Rieses Doggen empfingen mich mit wütendem Gebell am Tor zu seinem Recycling-Hof. Es sind die beiden größten und mit Abstand dreckigsten Hunde der ganzen Ruhr-City und stehen im von Ata sorgfältig verbreiteten Ruf, blutrünstige, blindwütige Killer zu sein. Ich trat durch das Tor, und sie ließen mich keinen einzigen Schritt weiter. Zumindest nicht, bis ich sie beide ordentlich geknuddelt hatte.

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