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Bis zum Hals

Bis zum Hals

Titel: Bis zum Hals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Hilfe.
    Jetzt war mir schlecht. Weia. Die ganze Übelkeit vorher war nichts als ein mildes Unwohlsein gewesen, ein Präludium, wie ein Solo für Querflöte, bevor sich das gesamte Orchester so richtig ins Zeug legt. Doch, mir war übel. Kotzübel.
    Es war das Richtige gewesen, sagte ich mir. Du hast in diesem Moment das einzig Richtige getan. Und dann auch wieder nicht.
    Ich setzte den Wagen ein Stück zurück, bevor ich ausstieg und mir den Hinterreifen besah, den Partner mit einem einzigen Schuss in einen Haufen sehniger Fetzen verwandelt hatte.
    Schlechte Verlierer, die beiden, doch, wie ich immer gerne sage, wer will schon ein guter Verlierer sein?
     
    Ich hatte Tina gebeten, Anoushka um jeden Preis aufzuhalten, was sie nicht getan hatte. Dann war Pummel aus dem Haus gekommen. Beides zusammen verhieß nichts Gutes.
    Ich klingelte, ich klingelte noch mal, ich klingelte mit wachsender Sorge, bis irgendwann dann der Summer ging und ich halb in den Hausflur fiel.
    Tina hielt sich einen Waschlappen voll Eiswürfel auf das eine Auge und heulte Rotz, Wasser und Wimperntusche mit dem andern.
    Fühle ich mich unter normalen Umständen schon unbehaglich in der Gegenwart einer weinenden Frau, wird es nicht besser, wenn ich sie noch als einen Kerl gekannt habe, der alleine ein volles Speisfass durch die Gegend tragen und Feldbrandziegel mit nur einem Hammerschlag halbieren konnte.
    Ich stand also halb betroffen, halb peinlich berührt an ihrer Seite, klopfte ihr auf die Schulter und machte, was ich für tröstende Geräusche hielt. »Na, na« und »Ist ja schon gut« und solche Sachen.
    »Ich hab’s versucht, Kristof«, schniefte sie schließlich. »Doch dieser dicke Typ ist einfach auf mich los und …«
    Und noch ein Schwall. Lidschatten und alles.
    »Weißt du, Tina«, gab ich säuerlich zu, »ich werde auch nicht mit Pummel fertig.« Zwölf Stiche bewiesen das.
    »Was ist mit Anoushka? Wo ist sie hin?«
    »Ich hab sie mit Pummel und seinem Kumpel Ronnie weggeschickt.«
    »Du hast was??! «
    Hoppla, hübsche Schwellung. Ein 360°-Panda, wenn sie nicht konsequent weiterkühlte.
    »Tu ihn wieder drauf, den Lappen, Tina. Und ich hatte keine Wahl.«
    »Ja, und jetzt?«
    »Jetzt muss ich sie suchen.«
    »Ja, aber wo willst du anfangen?«
    Zwölf Stiche. Wenn man die Möglichkeit einmal großzügig ausschloss, dass Pummel Einsicht in meine Krankenhausakte genommen hatte, konnte er die Anzahl der Stiche in meiner Bauchdecke nur von einer einzigen Quelle erfahren haben.
    »Sag mal, Tina, hast du eine Ahnung, wo Deckart wohnt?«
    Sie sah überrascht auf, mit dem heil gebliebenen Auge.
    »Ja klar. Über dem Narziss-Club.«
    Ah, hätte ich mir denken können. Ehemalige Minister-Villa mit hoher Mauer drumrum und dem ganzen anderen Gesumms. Perfekt.
    »Wie komme ich da rein?«
    »Na, mit uns!«
    »Wer ist ›uns‹?«
    »Na, mit Kevin und mir! Wir gehen jeden Donnerstag. Obwohl …« Sie nahm den Lappen vom Auge, griff sich einen Handspiegel und beäugte die Reflexion ihres mit schwarzen Tränenspuren durchzogenen Antlitzes ausgiebig aus jedem erdenklichen Winkel. »Na, das bedeutet wohl meine Queen Bee für mich heute.«
    Ich fragte nicht.
    »Weißt du, als Angestellte haben wir Clubausweise, und wir dürfen selbstverständlich jemanden mitbringen.«
    Tina sprang auf die Füße. Der Kummer schien vergessen, was mir nur recht war.
    »Außerdem haben sie im Club die gleichen Getränkekarten wie im Lollipop.«
    »Und?«
    »Na, wenn du reinkommst, kriegts du eine Karte. Darauf wird alles notiert, was du konsumierst. Und wenn du dann rausgehst, zeigst du und zahlst du die, die du vorher schon im Handtäschchen hattest, Dummerchen. Die mit dem einen Wässerchen drauf.« Sie lachte kehlig. »Ich hoffe, du magst Rosé-Champagner.«
    Dann hielt sie plötzlich inne, stemmte die Fäuste in die Hüften, begutachtete mich von oben bis unten, schnaufte missbilligend und knurrte: »Aber so, wie du rumläufst, Freundchen, nehmen wir dich auf keinen Fall mit.«
     
    »Ihr werdet mich in keinen Fummel stecken! Und bleib mir mit deiner Puderquaste vom Leib!«
    Hab ich meine Schwierigkeiten mit weinenden Frauen, so ist das kein Vergleich zu denen, die ich mit mittelgroßen Typen hab, die um mich herumstolzieren, als hätten sie die ganze Zeit eine Pfauenfeder in den Arsch geklemmt.
    »Aber soo kannst du nicht mit!«
    Neo-Punk-Kellner Kevin war, von Tina aufgescheucht durch einen Anruf, angeflattert gekommen, unter den Armen ein halbes Dutzend

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