Bis zum letzten Atemzug
sie einfach, setzen sie im Schneesturm vor die Tür und schauen mal, was für nette Sachen sie danach noch über unsere kleine Stadt zu sagen haben.«
Will verschluckte sich bei dem Versuch, das Lachen zu unterdrücken, an seinem Kaffee. Kein Wunder, dass Marlys diese Frau so mag, dachte er. Nicht zu viele Leute wagten es, Ed Wingo in die Schranken zu weisen.
Ed blies sich auf und zeigte mit einem knochigen Finger auf Verna. »Findest du es wirklich in Ordnung, dass diese Fremden hier sitzen, unsere Unterhaltungen belauschen und das Leid der Menschen in dieser Stadt dazu benutzen, um ein paar Zeitungen mehr zu verkaufen und ihre Einschaltquoten zu steigern?«
»Ich könnte mir vorstellen«, sagte Will leichthin, »dass diese Leute viel lieber an der Schule wären, um herauszufinden, was da vor sich geht, als hier mit denjenigen von uns festzusitzen, die ihnen überhaupt keinerlei Informationen geben können.«
»Sie machen sich vermutlich mehr Sorgen darum, wo sie heute Nacht schlafen werden«, schaltete Carl Hoover sich ein, der Präsident der Broken Branch First National Bank. »So wie es inzwischen schneit, werden die Highways bestimmt nicht mehr geöffnet werden.«
»Meinst du, sie wissen, dass es im Ort kein Hotel gibt? Vielleicht können sie bei dir bleiben, Ed, dein Haus ist doch sowieso viel zu groß.« Verna lachte und wurde dann sofort ernst, als die anderen Kunden die Köpfe zu ihr herumdrehten. »Wie lange wird die Sache wohl noch dauern?«, fragte sie hilflos.
»Nun, wenn ich hier was zu sagen hätte«, erwiderte Ed und winkte der Kellnerin, zu kommen. »Ich würde einen Scharfschützen in die Schule schicken, der den Mann umlegt, und dann die Kinder so schnell wie möglich da herausholen.«
»Die Polizei kann das nicht tun«, echauffierte sich Carl. »Das könnte den Mann dazu veranlassen, zu schießen. Nein, sie müssen versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, mit ihm zu verhandeln, und dann einfach warten, bis er aufgibt.«
»Das ist genau das, was ich nicht verstehe.« Ed hielt der Bedienung seinen Becher zum Nachfüllen hin. »Warum sollte irgendein Arschloch eine Gruppe Kinder aus Broken Branch als Geiseln nehmen? Das ist doch totaler Bullshit.« Er nickte der Kellnerin dankend zu und nahm dann nachdenklich einen langen Schluck. »Vielleicht ist es der Lehrer, den sie letztes Jahr gefeuert haben. Er war ganz schön aufbrausend. Wenn ich mich recht erinnere, hat er mal einen Schüler verdroschen.«
»Ja, das war schlimm«, erwiderte Will und schüttelte bei der Erinnerung daran den Kopf. »Das Kind hat Zucker in seinen Tank gefüllt oder so. Was trotzdem kein Grund ist, handgreiflich zu werden.«
»Ich habe gehört, dass er jetzt die Tankstelle drüben in Sioux City leitet. Vielleicht wird er dafür besser bezahlt als damals als Lehrer«, überlegt Verna. »Ich kann mir nicht vorstellen, wieso er noch einmal hierher zurückkommen sollte.« Sie warf Will einen verstohlenen Blick zu. Er wusste, dass sie an ihren Schwiegersohn und ihre Enkelkinder dachte.
MEG
Auf dem Rückweg zum Streifenwagen nehme ich mir die Zeit, mein Handy herauszuholen und zu schauen, welche Anrufe ich verpasst habe. Es sind fünf Stück. Vier von Maria. Ein weiterer von Stuart. Mein Herz setzt einen Schlag aus bei dem Gedanken, dass mit meiner Tochter irgendetwas nicht stimmt, aber dann fällt mir der Übertragungswagen wieder ein und dass Stuart gesagt hat, überall in den Nachrichten würde von dem Vorfall berichtet. Maria hat vielleicht im Fernsehen etwas darüber gesehen und hat nun Angst um ihre Klassenkameraden oder will wissen, wie es mir geht. Ich drücke auf die Wähltaste und steige in meinen Wagen.
»Hey Mommy«, höre ich Marias atemlose Stimme. »Was ist an der Schule los?«
»Mach dir darüber keine Gedanken, okay?« Ich klemme mir das Handy zwischen Kinn und Schulter und stecke den Schlüssel ins Zündschloss.
»Aber im Fernsehen sagen sie …«, setzt sie an.
»Wir wissen noch nichts Genaues, Maria Ballerina«, sage ich und benutze ihren Kosenamen. Meine Reifen rutschen ein wenig, als ich links vom Schulparkplatz abbiege.
»Okay …« Sie klingt nicht wirklich überzeugt.
»Ich muss wieder an die Arbeit. Sag deinem Dad, dass ich euch später noch mal anrufe.«
»Er musste auch zur Arbeit.« Am Klang ihrer Stimme erkenne ich, dass sie darüber genauso wenig erfreut ist wie ich.
»Wer ist bei dir?«, frage ich. Ich habe Angst, dass sie »meine Großeltern« sagt oder, schlimmer noch, »mein
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