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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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da, wieder andere weinten. Was geschieht mit ihnen, fragte sie sich, wenn ich versuche, die Heldin zu spielen? Würde er sie erschießen oder die Kinder? Sie ertrug den Gedanken nicht, den Klassenraum nicht mit allen Kindern heil und gesund zu verlassen. Nein, ich bleibe hier sitzen, entschied sie. Sie würde sitzen bleiben und schauen, was passierte. Ihre Schüler beschützen. Obwohl sie Lucy nicht sonderlich gut beschützt hatte. Sie hörte Cals Stimme in ihrem Kopf. Es ist besser, dass sie in dem Schrank eingesperrt ist, Evie. Im Klassenraum zu sein war zu viel für sie. Genau das würde er sagen, entschied Mrs Oliver und fühlte sich ein kleines bisschen besser.
    Mr Ellery war immer noch auf den Knien. Er blutete aus einer Kopfwunde. Der Mann griff nach seinem Arm und zog ihn daran ins Klassenzimmer. Mr Ellery – naiv und tapfer zugleich, dachte Mrs Oliver, einfach hierherzukommen und zu versuchen, sie alle alleine zu retten – war jung und fit. Mit einem kurzen Stoß seines Handballens erwischte er die Hoden des Mannes, der daraufhin rückwärtsstolperte und seine Waffe fallen ließ. Mrs Oliver jubelte. Ein lautes »Ja!« schlüpfte über ihre Lippen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl, fest entschlossen, sich die Waffe zu greifen. »Laufen Sie, Mr Ellery!«, rief sie. »Laufen Sie.« Doch sie war zu langsam; der Mann schnappte sich den Revolver und jagte Mr Ellery den Flur hinunter.
    »Haltet euch die Ohren zu«, befahl sie den Kindern. Sie war sicher, dass gleich Schüsse fallen würden. Sechzehn Paar Hände wurden über Ohren gehalten. Sekunden vergingen, und nichts passierte. Zögernd ging Mrs Oliver in Richtung Tür, hoffend, dass Mr Ellery den Bewaffneten überwältigt hatte, ihn im Schwitzkasten hielt oder wie auch immer diese Haltung hieß, die sie immer bei Cals Wrestlingshows im Fernsehen sah. Als sie um die Ecke den Flur hinunterschaute, zog sich ihr Magen zusammen. Der Bewaffnete hatte den blutenden Mr Ellery am Kragen seines Hemdes gepackt und zielte mit der Waffe auf seinen Kopf. Er zerrte ihn in Richtung des Putzschranks, öffnete die Tür, schubste den bewusstlosen Mr Ellery hinein und knallte die Tür zu.
    »Gehen Sie in die Klasse zurück«, sagte er kalt und zielte auf Mrs Oliver, die schnell zurückhastete. »Dumm«, sagte er, als er in die Klasse zurückkehrte. »Es ist allein eure Schuld, dass das hier viel länger dauert, als es sein muss.« Er schritt durch die Klasse und zeigte mit der Waffe auf jeden einzelnen Schüler, bevor er schließlich direkt hinter Mrs Oliver stehen blieb. Sie spürte den Lauf des Revolvers an der Hinterseite ihres Kopfes. »Bleibt einfach auf euren Plätzen sitzen, dann wird das hier ganz schnell vorbei sein.«

AUGIE
    Beth und ich kriechen zur Klassentür. Meine Hand zittert, als ich den Türknauf drehen will. Ich habe Angst vor dem, was wir da draußen vorfinden werden. »In welche Richtung willst du gehen?«, fragt Beth und schaut nach rechts, dann nach links den Flur hinunter.
    »P. J. und Natalie sind in Mrs Olivers Klasse eine Etage höher«, sage ich. »Lass uns erst einmal dorthin gehen.« Ich nicke in Richtung des am nächsten liegenden Treppenhauses, das allerdings immer noch Meilen weit entfernt wirkt. Wir müssen auf dem Weg an zwei Klassenzimmern und einem Waschraum vorbei. Viele Möglichkeiten für einen bewaffneten Irren, sich zu verstecken.
    »Okay«, sagt Beth und macht einen Schritt aus dem Raum heraus. Als sie merkt, dass ich ihr nicht folge, streckt sie ihren Arm aus und nimmt meine Hand in ihre. Sie fühlt sich genauso kalt an wie meine, aber auch stark, und sofort geht es mir besser. Ich merke, dass meine Füße jetzt in der Lage sind, zu gehen. Wir ducken uns und machen ganz kleine Schritte, als wenn uns das davor bewahren würde, gesehen zu werden. Schnell sind wir am ersten Klassenzimmer vorbei. Wir machen uns nicht einmal die Mühe, durch das Fenster in der Tür zu schauen. Wir versuchen, lautlos die Stufen hinaufzugehen. Als wir oben ankommen, rutsche ich auf irgendetwas aus. Ich lasse Beths Hand los und lande mit einem dumpfen Geräusch auf meinem Hintern. Ich stütze mich mit den Händen auf dem Fußboden ab, doch meine Finger berühren etwas Glitschiges, Feuchtes. Es ist nicht viel, aber in dem dämmrigen Flur wirkt es beinahe schwarz. Irgendwie weiß ich, dass es Blut ist.
    »Alles okay?« Beth schaut auf mich herunter. Ich versuche, das Blut an den Fußbodenfliesen abzuwischen, aber das geht nicht, also wische ich mir die Finger an

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