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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudenkauf
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ernst. Ich schaue in den verschneiten Himmel hinauf, Schneeflocken tanzen wie Derwische, mir wird vom Zugucken schwindelig. Ich stütze mich mit einer Hand an der Motorhaube ab und gehe in Gedanken noch einmal die Informationen durch, die ich von Faith erhalten habe: die Pistole, die verschiedenen Handys, die Tatsache, dass sie ihn schon einmal gesehen hat. Es ist nicht viel, aber besser als nichts. Ich schaue den Garritys noch einen Moment lang hinterher, wie sie wie eine nahtlose Einheit über den Parkplatz gehen. Ich denke an meine eigene kleine Familie, die einst so war wie die Garritys. Ich blinzle, dann löst sich das Bild auf.
    Wenigstens werden die Kinder eines nach dem anderen wieder mit ihren Familien vereint. Ich muss zur Schule zurück. Doch erst muss ich mit Will Thwaite sprechen und herausfinden, was mit seiner Enkelin los ist.

MRS OLIVER
    Wenn Mrs Oliver einmal Zeit hat, fernzusehen, schaut sie gerne Krankenhausserien. Nun versuchte sie, sich daran zu erinnern, wie die Opfer von Herzanfällen im Fernsehen sich verhielten. Sie griffen sich immer an den linken Oberarm. Oder war es der rechte? Sie schnappte nach Luft, streckte ihre Hand wie eine Kralle nach vorne aus, umfasste erst ihren linken Arm und danach – nur vorsichtshalber – noch ihren rechten. »Meine Tabletten«, keuchte sie. Der Mann wirkte bestürzt. Vielleicht ist er doch nicht nur ein Monster, dachte Mrs Oliver. Er schaute sich panisch in dem Raum mit den verängstigten Kindern um, von denen einige beim Anblick ihrer leidenden Lehrerin anfingen, ungehemmt zu weinen. Dann sah er wieder Mrs Oliver an. Als sie die Verwirrung auf seinem Gesicht sah, erkannte Mrs Oliver, dass er sich nicht die Bohne um sie scherte. Er machte sich nur Sorgen, dass sie sterben und ihn mit siebzehn hysterischen Drittklässlern allein lassen würde. Geschähe ihm ganz recht, wenn ich sterbe, dachte sie. Aber das konnte sie nicht machen. Ihre Schüler brauchten sie. Sie versuchte, sie telepathisch wissen zu lassen, dass sie nur schauspielerte, aber das schien nicht zu funktionieren. Julia weinte laut, ihr Mund eine offene Höhle, und der arme Colin saß da, die Augen fest zusammengekniffen, am ganzen Körper zitternd. Nur P. J. schien sie neugierig, aber nicht sonderlich besorgt zu mustern.
    »Bitte, meine Handtasche.« Sie stieß ein gurgelndes Geräusch aus. »In meinem Pult.« Der Mann zögerte einen Moment und drehte sich dann zu P. J. um.
    »Hol die Handtasche«, befahl er. P. J. stand auf und ging schnell hinter Mrs Olivers Schreibtisch.
    Er wühlte in den Schubladen herum und hielt schließlich triumphierend die Lederhandtasche in die Höhe. »Hab sie«, sagte er.
    »Nimm dir die Medizin und bring sie hierher«, sagte der Mann.
    Mrs Oliver stöhnte laut und glitt in einem, wie sie hoffte, anmutigen Zusammenbruch vom Stuhl auf den Boden, wo sie auf dem Bauch liegen blieb.
    Der Mann kniete sich neben sie. »Komm schon«, zischte er. »Bring mir die Tabletten.« P. J. wühlte in der schwarzen Handtasche herum, bis seine Finger das Pillendöschen fanden. Er warf es dem Mann zu, und es rollte über den Boden. Mrs Oliver und der Mann griffen gleichzeitig danach.
    »Ich hab sie«, sagte Mrs Oliver fester, als sie vorgehabt hatte, und schnappte sich die orangefarbene Dose.
    »Hey, was ist da los?«, ertönte Lucys gedämpfte Stimme aus dem Schrank. Das Mädchen schlug gegen die Tür. »Lasst mich hier raus!«
    »Ruhig da!«, rief der Mann. Mrs Oliver drehte den Deckel mit der Kindersicherung auf, schüttete sich zwei Pillen in die Handfläche und steckte sie dann in den Mund.
    »Geben Sie mir nur eine Sekunde.« Sie blieb ausgestreckt auf dem Boden liegen. Der bittere Geschmack ihrer Arthritistabletten füllte ihren Mund. Sie war sich bewusst, dass alle Geräusche verebbt waren. Die Kinder hatten aufgehört zu weinen. Lucy hämmerte nicht mehr gegen die Schranktür. Alle warteten, was als Nächstes passieren würde.

AUGIE
    Auf Zehenspitzen durchquere ich die Sporthalle und frage mich, was mit Beth geschehen ist. Ich überlege, ob sie sich auch in irgendeiner Ecke versteckt, so wie ich, und versucht, den Mut zusammenzukriegen, um in die Klasse zurückzukehren. Nur dass Beth herausfinden will, ob ihr Dad der Mann ist, der im ersten Stock ihre Schwester und P. J. samt ihren Klassenkameraden als Geiseln hält. Ich stelle mir eine Minute lang vor, einen Dad zu haben, der alles tun würde, um seine Kinder zu sehen, Zeit mit ihnen zu verbringen. Mein Dad würde

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