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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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aber auch Zeit.
    Sie marschiert ins Zimmer.
    – Du bist so eine Schlampe. Ich hab doch gesagt, dass du ihn nicht ohne mich ficken sollst.
    Die Tür schließt sich wieder.
    Ich knacke das Schloss, betrete das Zimmer und schließe ebenfalls die Tür hinter mir.
    Bis zu den Knöcheln wate ich in leeren Essenskartons, Plastiktüten, dreckiger Wäsche und abgeschnittenen Zehennägeln. Die Wände sind mit Fotos von leicht bekleideten Starlets und Models tapeziert, die jemand aus Männermagazinen gerissen hat. Durch das vor Dreck starrende Fenster bemerke ich einen Sonnenstrahl, der auf ein Dach gegenüber fällt. Ich öffne das Fenster, um ein bisschen zu lüften, dann hänge ich eine schmutzige Bettdecke über die Vorhangstange. Es ist Sommer in New York City, was bedeutet, dass es draußen genauso stinkt wie hier drin. Ich zünde mir eine Zigarette an, setze mich auf das schmale Bett, rauche und warte auf den Arsch, der in diesem Drecksloch wohnt.
    Endlich.
    Jetzt bin ich da, wo ich hingehöre.
     
    Die Kakerlaken bemühen sich nach Kräften, dem Sonnenstrahl auszuweichen, der durch einen Spalt im Fensterrahmen auf den Boden fällt. Da Kakerlaken Tageslicht nicht mögen, überrascht es mich nicht sonderlich, dass ich nicht lange auf eine ganz bestimmte Kakerlake warten muss.
    Ich erkenne ihn an den Nägeln, die aus den Absätzen seiner abgetragenen Stiefel ragen und auf dem Korridor klappern. Selbst über das Gurgeln der Abwasserrohre, das Knarren und Stöhnen des erwachenden Gebäudes und seiner Bewohner hinweg erkenne ich sofort seine nervösen Schritte.
    Vor der Tür angelangt, klimpert er mit seinen Schlüsseln im Takt seiner klappernden Zähne. Der Schlüssel wird ins Schloss geschoben, die Tür fliegt auf und schon rieche ich seine schmierige Pomade.
    Er betritt den Raum, bleibt wie angewurzelt stehen, die Hand an der Tür, und starrt die Decke vorm Fenster an.
    – Oh.
    Es ist ein kleiner Raum. Ein sehr kleiner Raum. Eigentlich mehr eine Abstellkammer. Seine Augen brauchen ungefähr einen Herzschlag, um alles zu erfassen und die dunkle Gestalt auf dem Bett zu entdecken.
    Er hebt den Schlüssel und betrachtet den daran baumelnden Anhänger.
    – Tut mir leid. Falsches Zimmer. Bin schon weg. Stehen Sie nicht auf. Kein Problem.
    Er ist zwar nicht der Hellste, aber auch nicht der Dümmste. Daher weiß er, dass ein Fremder in seiner Bude und ein mit einer Bettdecke verhängtes Fenster Ärger bedeuten.
    Er weiß nur noch nicht, wie groß der Ärger sein wird.
    Er öffnet die Tür wieder.
    – Bin schon weg. Ich geh in mein Zimmer, okay? Tut mir leid. Meine Schuld. Allein meine Schuld. Ist ’ne richtige Bruchbude, oder? Es gibt hier vielleicht zehn verschiedene Schlösser. Da kommt’s schon mal vor, dass man die falsche Tür erwischt. Das passiert ständig. Meine Schuld. Wirklich, Sie brauchen nicht aufstehen.
    Ich stehe auch nicht auf.
    – Nein, ist schon das richtige Zimmer.
    Er hört auf zu zittern.
    – Ach du Scheiße.
    Ich beobachte, wie eine Kakerlake durch den Sonnenstrahl kriecht.
    – Mach die Tür zu, Phil.
    Er macht die Tür zu.
    Ich trete auf die Kakerlake.
    – Wir müssen uns unterhalten.
     
    Wenn es draußen nicht helllichter Tag wäre, würde ich ihn am Knöchel packen, zum Fenster raushalten und Tacheles reden.
    Aber so muss ich etwas subtiler vorgehen.
    – Ich werd dir die Nase abschneiden, Phil.
    Er hebt die Hände.
    – Hey! Heeeeeeeey! Warum denn? Die Nase ? Wie kommt’s? Mann, ich meine, wo bleibt das übliche Vorspiel: Ich prügle dir die Scheiße aus dem Leib, schlag dir die Zähne aus dem Schädel und drück eine Kippe auf deiner Stirn aus? Seit wann willst du mir gleich von Anfang an die Nase abschneiden?
    Seine Kinnlade klappt nach unten.
    – Wie wär’s stattdessen mit einer netten Unterhaltung? Ein Schwätzchen um der alten Zeiten willen?
    Er verschränkt die Arme vor seinem schmuddeligen Hawaiihemd und legt den Kopf schief.
    – Schön dich zu sehen, Joe. Ist lange her. Wie geht’s denn so? Gut? Geht’s dir gut?
    Er stemmt die Hände in die Hüften und neigt den Kopf zur anderen Seite.
    – Klar, Phil. Mir geht’s gut. Wie geht’s dir? Was machst du so?
    Kopf wieder zurück auf Position eins.
    – Ich, äh, alles klar, das Übliche eben. Mal hier, mal da. Weißt du, die meiste Zeit...
    Er wirft die Hände in die Luft.
    – ... die meiste Zeit verbringe ich damit, aufzupassen, dass mir niemand die Nase abschneidet.
    Er hält sich eine Hand vor die Nase.
    – Mann, Joe! Was soll

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