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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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aus.
    – Tja, also, stimmt schon, eigentlich sollte sie hier sein. Aber, na ja, wenn du mal ein bisschen drüber nachdenkst, wird dir sicher einfallen, warum sie nicht hier ist. Da hab ich lange drüber nachgedacht. Ich will nicht behaupten, dass ich der intellektuelle Typ bin. Eher ein Instinktmensch. Daher glaube ich auch, dass ich zumindest eine gewisse Begabung dafür habe, Energieströme, also individuelle Energieströme zu lesen. Und wenn man mal gründlich drüber nachdenkt, ist es schon auffällig, dass du, als dich die komplette Society im Visier hatte, es irgendwie geschafft hast, dich abzusetzen. Und dass Lydia immer zu wissen schien, was gerade ablief. Daher bin ich zu der Auffassung gelangt, dass da eine Art von, nun ja, Zusammenarbeit stattgefunden hat. Welcher Art, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall habe ich eine Entscheidung getroffen, die entweder intuitiv war oder die jeder Trottel hätte treffen müssen: Ich habe darauf verzichtet, ihr Bescheid zu sagen, bevor ich mit Hurley hierhergekommen bin, um dich zu töten.
    Er zupft an seinem Kinnbärtchen.
    – Lydia und ihr Bündnis der Schwulen, Lesbischen und Andersorientierten haben in der Society immer weitgehend unabhängig operieren können. Eine ganze Wählerschicht, die ihr dahin gefolgt ist, wo sie ihr, na ja, Gerechtigkeitssinn gerade hingeführt hat. In letzter Zeit scheint sie besonders oft Wege einzuschlagen, auf denen ihr keiner folgen will. Ihre große Stärke besteht darin, dass sie so einen Tunnelblick hat, der sie ohne zu zögern handeln lässt. Sie verlangt, dass die Society endlich ihr Ziel, mit dem Vyrus und den Infizierten an die Öffentlichkeit zu treten, in die Tat umsetzt. Sie stellt Zeitpläne, Eckdaten, Agenden und solche Sachen auf, damit wir uns in einem letzten Schritt der Welt offenbaren können; dann würden wir ja sehen, ob die Gesellschaft uns akzeptiert. Ich für meinen Teil bin immer noch damit beschäftigt, alle hungrigen Mäuler zu stopfen und dafür zu sorgen, dass wir alle zusammenhalten und unter einer Fahne marschieren. Wir brauchen Einheit, bevor wir einen solchen Schritt wagen. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass es mit dieser Einheit gerade in letzter Zeit nicht besonders weit her ist. Besonders, was mich und Lydia angeht. Klar, ich bewundere ihre moralische und ethische Standfestigkeit, das solide Wertefundament, auf dem sie ihr Leben aufgebaut hat. Aber, na ja, sie kann ein ziemlicher Klotz am Bein sein, wenn’s drum geht, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen.
    – Ja, in dem Punkt kann sie einem echt auf die Eier gehen.
    – So hätte ich es zwar nicht ausgedrückt...
    Er bläst die Wangen auf.
    – ... aber ganz Unrecht hast du nicht.
    Ich wedle mit der Hand.
    – Ja, Lydia hat immer leidenschaftlich gern das Protokoll und die Regeln und den ganzen ethischen Scheiß befolgt. Sie ist die Art Frau, die dir jeden Spaß an einem guten alten politischen Attentat verdirbt.
    Die Müdigkeit verschwindet aus seinem Gesicht. Stattdessen bemerke ich eine gewisse Schärfe und etwas weniger Bereitschaft, sich meine dummen Sprüche anzuhören.
    – Stimmt schon, was du sagst, Joe. Und sicher, wir haben jetzt einen Deal, aber das ist ein heikles Thema. Daher würde ich es vorziehen, wenn du endlich die Klappe hältst.
    – Geht klar. Tut mir nur leid zu hören, dass ihr beide nicht so recht klarkommt.
    Er berührt die Stelle an seinem Oberschenkel, in die ich damals den Nagel gerammt habe.
    – Ich bin nicht blöd. Das weißt du. Und mir ist klar, dass Lydia dir geholfen hat. Das hat wehgetan, Joe. Und nicht nur im physischen Sinne.
    – Ich weiß, dass du nicht blöd bist, Terry. Und mit dem Nagel wollte ich dich nicht nur kitzeln.
    Er deutet auf sein linkes Brillenglas.
    – Was ist mit deinem Auge passiert?
    Ich schüttle den Kopf.
    – Hab durch ein Schlüsselloch zu viel geguckt.
    – Tja, musste ja früher oder später passieren.
    Er geht zur Tür, um Hurley wieder reinzulassen.
    – Und da wir gerade beim Thema sind, während du versuchst, dem Mädchen das Geld abzuschwatzen, könntest du dich, na ja, ein bisschen bei ihr umsehen? Man hört, dass es ihnen da drüben ziemlich dreckig geht. Manche sprechen sogar von einer Krise.
    – Wo hast du denn das her?
    Er zuckt mit den Schultern.
    – Hab ich aufgeschnappt. Aber es würde mich schon interessieren, wie sie ihren Laden schmeißt. Wie sie, na ja, die Sache am Laufen hält. Weißt du, die besten und idealistischsten Absichten gehen ganz schnell den

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