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Bis Zum Letzten Tropfen

Bis Zum Letzten Tropfen

Titel: Bis Zum Letzten Tropfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Riss im Asphalt wächst.
    – Mit ihm einen Handel zu haben, ist hier nicht gerade die beste Empfehlung für dich.
    Ich spähe hinüber zu den weit entfernten Lichtern Manhattans und frage mich, ob Maspeth der Ort ist, an dem ich endlich sterben werde.
    – Für dich hatte er übrigens auch nur warme Worte übrig.
    Er wiegt die Machete in seiner Hand.
    – Er hat mich erwähnt?
    – Aber ja. Schien sogar sein Lieblingsthema zu sein. Ich würde meinen, dass er vor dem Schlafengehen deinen Namen flüstert und dann davon träumt, deinen Kopf über seine Tür zu nageln.
    Er grinst und fährt mit der Zunge von einem spitzen Zahn zum nächsten. Als ihm bewusst wird, was er da tut, schließt er den Mund wieder.
    – Ja, davon bin ich überzeugt.
    Er blickt nach Norden in Richtung Bronx.
    – In Anbetracht der Rolle, die er bei meiner Erziehung gespielt hat, ist es wohl kein Zufall, dass ich bezüglich seines Kopfes ähnliche Gedanken hege.
    Ich spucke in das ölige Wasser, an dem wir entlanggehen.
    – Ja, er hat so einen Kopf, den man gerne abschlagen möchte.
    – Ja. Das stimmt.
    Er legt die flache Seite der Machetenklinge auf seiner Schulter ab.
    – Als er mich damals von der Straße geholt hat, konnte ich mein Glück kaum fassen. Endlich war ich Teil einer Bande. Konnte Geld machen. Wie die anderen Kids, die sich den Gangs angeschlossen hatten. Die tauchten plötzlich mit neuen K-Swiss- und And1-Turnschuhen in der Schule auf, mit Hilfiger-Jeans und Burberry-Baseballkappen. Und die, die lange genug durchhielten, kriegten irgendwann Autos. Einen geleaste Escalade oder Mercedes. Aufgemotzte Nissans.
    Er runzelt die Stirn.
    – Ich wollte auch in eine Gang. Jeder, den ich kannte, wollte in eine Gang. So kam man zu was. Turnschuhe. Klamotten. Autos. Respekt.
    Die Falten auf seiner Stirn vertiefen sich.
    – Alles, was ein Junge sich wünscht. Das ist Jammers großes Talent...
    Er klemmt sich die Unterlippe zwischen die Zahnspitzen.
    – ... zu wissen, was junge Leute sich wünschen.
    Ein Tropfen seines eigenen Bluts rinnt seine Lippe herab.
    – Selbst nachdem mich einer der Älteren infiziert hatte, glaubte ich immer noch nicht an einen miesen Betrug, sondern dachte, ich wäre in einen sehr geheimen Zirkel aufgenommen worden.
    Er wischt das Blut mit dem Handrücken weg.
    – Da hatte Mr. Jammer mir bereits meinen Namen genommen und mich Menace getauft. Die Geißel. Zuerst ließ er mich hungern, danach folgte ein noch viel härterer Entzug: Er gab mir kein Blut mehr. Dafür misshandelte er mich. Physisch und psychisch. Das Einfachste war, zu resignieren. Früher oder später haben wir fast alle aufgegeben.
    Er nimmt die Machete von der Schulter und hält sie so, dass sie das silberne Mondlicht reflektiert.
    – Man kriegt immer wieder gesagt, dass man wertlos ist. Man wird behandelt, als wäre man wertlos. Man kämpft gegeneinander um die Gunst einer einzelnen Person, eine Gunst, die man doch nie vollständig erringen kann und die niemals belohnt wird. Da ist es das Natürlichste von der Welt, sich den Gegebenheiten zu fügen und tatsächlich zu glauben, dass man wertlos ist.
    Er hebt die Klinge und berührt damit seine Stirn, als würde er sich selbst einen Ritterschlag verpassen.
    – Doch ich bin nicht wertlos.
    Er lässt die Machete sinken.
    – Er hat mich zum Aufräumen eingeteilt. Ich musste die Stapel von Zeitungen und Zeitschriften wegschaffen, die er angesammelt hatte.
    Er schüttelt den Kopf.
    – Ich habe keine Ahnung, weshalb irgendwann dieses eine Wort meine Aufmerksamkeit erregt hat. Ich glaube nicht an die Vorsehung, und doch habe ich dieses Wort entdeckt und den Drang verspürt, etwas darüber zu lesen. Das habe ich auch getan. Ich kann mich nicht einmal mehr an den Namen der Zeitschrift erinnern. National Geographic? Time? Es macht keinen Unterschied.
    Er holt tief Luft und atmet ein Wort aus.
    – Mungiki.
    Er nickt.
    – Kikuyu-Bauern, die sich zu Widerstandsgruppen gegen die Regierung in Nairobi zusammengeschlossen haben, weil sie enteignet werden sollten. Die Regierung gehörte zum größten Teil dem Stamm der Kalenjin an. Den Feinden der Kikuyu. Die Mungiki setzten sich durch. Sie wuchsen und gediehen. Breiteten sich in den Städten und Slums aus. Boten Schutz, senkten die Kriminalitätsrate. Das erreichten sie durch Gewalt.
    Er nickt erneut.
    – Enthauptungen. Amputationen. Grausame Züchtigungen. Folter. Sie wurden eine Quelle des Terrors. Blutsäufer. Wahnsinnige. Wilde, die so brutal vorgingen,

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