Bis Zum Letzten Tropfen
an, die Schultern und den Kopf ein.
Amanda kommt näher.
– Warte mal.
Sela, die den Reißverschluss bis zu meinem Kinn zugezogen hat, hält inne.
Amanda legt eine Hand auf Selas Schulter und sieht auf mich herab.
– Beeil dich und komm bald zurück, Joe. Wir brauchen dich hier.
Ich krieche noch tiefer in den Schlafsack.
– Ja, da wird mir doch richtig warm ums Herz.
Sela zieht am Reißverschluss, klemmt ein Haarbüschel ein, zieht noch mal kräftig an, reißt mir die Haare aus und verstaut mich vollständig in dem stinkenden Mumienschlafsack.
Dann packt sie das obere Ende und zerrt mich die Hintertreppe hinunter und auf die Straße hinaus.
– Hey, hey, du könntest mich auch tragen, oder?
Ihr Absatz bohrt sich in mein Genick.
– Halt’s Maul.
Ich höre, wie sich eine Gittertür quietschend öffnet, Verkehrslärm, ein Dieselmotor im Leerlauf.
Sie wuchtet mich hoch und wirft mich. Für einen Augenblick ist nur Luft unter mir, dann knalle ich auf irgendetwas Hartes.
Der Diesel heult auf, ein Gang wird eingelegt, und mit einem Rucken fahren wir los. Noch mehr harte Sachen fallen auf mich herab.
Der Fahrer der Baufirma, der den Schuttcontainer vor Amandas Haus aufgeladen hat, lässt auf dem Weg von der Upper Eastside über Queensboro, Dutch Kill und die Review Avenue bis hinauf nach Maspeth kein einziges Scheißschlagloch aus.
Irgendwann während der Fahrt stelle ich fest, dass die Reißverschlüsse des Schlafsacks klemmen. Ich schneide mich mit dem Rasiermesser frei. So kann ich sofort rausspringen, wenn wir den Friedhof von New Cavalry erreichen.
Vierundzwanzig Stunden?
Nicht mal. Ich war keinen ganzen Tag auf der Insel. Und plötzlich, auf wundersame Weise, bin ich an einem Ort, der noch beschissener ist als die Bronx.
Dabei muss man sich nicht mal groß anstrengen, um in so einer Scheiße zu landen. Man muss einfach nur loslassen. Die Scheiße ist gleich hier, zu unseren Füßen, und wartet auf jeden, den die Kraft verlässt.
Aber dann, dann hilft folgender guter Ratschlag:
Mach den Mund zu, wenn du untergehst.
Maspeth.
Es ist einer dieser Orte, die nach einem verballhornten Indianerwort benannt wurden. Irgendjemand hat mir mal erzählt, es würde Am Grund des Schlechten Wassers bedeuten.
Ein Sumpf.
Ein Sumpf, der irgendwann mal aufgeschüttet wurde.
Man hat Erde daraufgeschaufelt, Rasen gesät und schöne Bäume gepflanzt. Doch darunter liegen tote Menschen.
Zum Glück wohne ich nicht in Maspeth.
Das ist ein echter Grund zur Freude, denke ich, als ich an der Kreuzung 55th Avenue und 50th stehe, dem vereinbarten Treffpunkt. Doch meine Freude währt nur kurz. Dann rennt ein Dutzend schnatternder, machetenschwingender Kannibalenkrieger mit zugefeilten Zähnen über den mit Lastwägen vollgestellten Parkplatz hinter einem der Lagerhäuser auf dem wenigen festen Boden zu beiden Seiten des Maspeth Creek. Sie fangen an, den Zaun hochzuklettern.
Es ist schon fast zum Lachen.
Nein, wirklich.
Es wäre wirklich zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.
Aber in diesem ganzen Durcheinander, weil bei Amanda die Kacke am Dampfen ist, und weil alles natürlich wieder mal ganz schnell gehen musste, hab ich vergessen, eine Waffe mitzunehmen.
Ist das nicht lustig?
Eigentlich nicht.
Jedenfalls nicht, wenn man der Trottel ist, der gerade wieder mal wegen einem Auftrag den Fluss überquert hat. Nicht, wenn man die arme Sau ist, die eine Verabredung mit einem Haufen Wilder hat.
Trotzdem, wenn ich an meine Vergesslichkeit denke, muss ich fast lachen.
Aber nur fast.
Statt zu lachen renne ich. Ich schaffe es noch bis über die Straße, dann holen mich die barfüßigen Wilden ein, und Finger mit aufgesetzten Chromkrallen packen mich und werfen mich zu Boden.
– Sie ist was Besonderes.
– Da will ich nicht widersprechen.
– Ist auch schlauer.
Ich erzähle ihm jetzt nicht, dass das Wort schlau in Zusammenhang mit meiner Wenigkeit eher selten fällt.
Die scharfen Spitzen der Krallen an seinem rechten Zeigefinger und seinem Daumen klicken rhythmisch aneinander.
– Hätte ich mehr Überzeugungskraft besessen, dann wäre sie jetzt hier bei mir.
Ich sehe mich in dem stickigen, ausgemusterten Frachtcontainer um, in dem wir uns alle drängen. Nur Menace hat einen Stuhl, alle anderen stehen oder hocken auf Stapeln von Büchern und alten Zeitschriften, die im Container verstreut sind.
– Da entgeht ihr aber einiges.
Er hört auf, mit den Krallen zu klicken.
– Für Sarkasmus hab
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