Bis zur letzten Luge
die Hand. Belinda nickte, und Amy stand auf und ging zu ihr. Sie runzelte die Stirn und zeigte dann mit dem Finger auf die Mitte der Karte.
Belinda schüttelte nicht den Kopf. „Amy hat schon dierichtige Idee. Sie ist nahe dran. Danke, dass du es versucht hast, Amy. Bist du stolz auf dich?“
„Ich bin stolz“, entgegnete Amy.
„Gut.“
Amy ging zurück zu ihrem Platz und setzte sich.
Phillip verfolgte die Unterrichtsstunde. Die kleinen Mädchen kicherten und flüsterten ab und zu, aber Belinda hatte ganz offensichtlich ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Für diesen Nachmittag waren sie Teil einer Kultur mit einem uralten und ehrenvollen Erbe, und Belinda war ihr Vorbild.
„Was, glaubt ihr, haben diese Menschen gegessen?“, fragte Belinda, als die Lehrstunde sich dem Ende zuneigte.
„Giraffen?“, erwiderte Amys kleine Schwester scheu. „Oooh … Na, das wäre eine ganz schön lange und große Mahlzeit, oder?“ Belindas Lächeln machte klar, dass sie sich freute, dass das kleine Mädchen geantwortet hatte. „Die Wahrheit ist, dass wir der Meinung sind, dass die Leute damals vieles gegessen haben, was ihr auch kennt und mögt – wie zum Beispiel Bohnen oder Mais oder Süßkartoffeln. Und sie haben das Essen mit viel Cayennepfeffer gewürzt, genau wie wir hier in New Orleans. Tatsache ist, dass einige eurer Lieblingsspeisen aus Afrika stammen. Sie sind von Sklaven hierhergebracht worden, die die Speisen an ihre weißen Herrschaften weitergegeben haben. Wenn ihr red beans and rice esst, esst ihr den gleichen Eintopf, der auch schon in der Nok-Kultur gegessen wurde. Ihr esst afrikanisches Essen. Und das solltet ihr nie vergessen.“
„Wir werden es nicht vergessen“, antworteten die Mädchen wie aufs Stichwort im Chor.
„Jetzt werden wir Statuen formen, wie die, von denen ich euch erzählt habe“, verkündete Belinda. „Archäologen – das sind Leute, die ganz alte Kulturen erforschen – haben Figuren gefunden, die nur so hoch sind.“ Sie hielt ihren Daumen und ihren Zeigefinger zweieinhalb Zentimeter auseinander.
„Und sie haben welche gefunden, die so groß wie Menschen sind. Zwei Dinge haben die meisten dieser Figuren gemeinsam. Erstens: Sie haben nur Vertiefungen als Ohren. Zweitens: Ihre Augen sind ebenfalls nur angedeutet. Wir wissen nicht, warum das so ist, noch nicht zumindest. Doch wenn ihr heute eure Statuen formt, möchte ich, dass ihr versucht, sie wie die Nok-Statuen zu gestalten. Hohle Augen und Ohren. Ich habe hier einige Abbildungen, die ihr euch ansehen könnt. Schafft ihr das?“
„Das schaffen wir“, erwiderten die Mädchen wie aus einem Munde.
„Dann an die Arbeit. Ich werde euch helfen und Phillip auch. Ihr kennt Phillip doch alle?“
Phillip wollte sofort zur Tür springen und die Flucht ergreifen, aber acht kleine Augenpaare hinderten ihn daran.
Er mochte Kinder nicht besonders. Seine Erfahrung mit Menschen, die jünger als zehn Jahre waren, war begrenzt, und er hatte eigentlich nicht vor, daran etwas zu ändern. Doch er hatte über Kinder nachgedacht, als er durch die Tür gekommen war – über einen Jungen namens Raphael und ein kleines Mädchen namens Angelle. Und ihre Geschichte, genau wie Aurores Geschichte, berührte ihn noch immer.
Er hob die Hände. „Sehen diese Hände aus, als könnten sie Statuen aus Ton formen?“
„Die Kinder werden dir alles beibringen, was du wissen musst“, entgegnete Belinda.
Ihm fiel auf, dass ihn nicht mehr nur die Blicke festhielten. Eines der kleinsten Mädchen, dessen Haare ordentlich gescheitelt und mit rosa Plastikspangen befestigt waren, hatte die Arme um seine Taille geschlungen. Er war ein Gefangener.
Eine Stunde später hatte er unter jedem Fingernagel Ton, und ein kleines Mädchen, das ein Kleid trug, das eigentlich für ein älteres Kind bestimmt war, saß auf seinem Schoß. Vergeblich hatte er vor einer halben Stunde versucht, sich von ihrzu befreien, aber die Kleine war genauso hartnäckig wie die Frau, die die Klasse unterrichtete. Eineinhalb Meter entfernt war Belinda gerade dabei, den Kindern für die nächste Stunde ein echtes nigerianisches Essen zu versprechen.
„Jetzt lauft los“, sagte sie und klatschte in die Hände. „Und vergesst nicht, was ihr heute gelernt habt. Einige von euch könnten sogar von der Nok-Kultur abstammen. Ihr könnt stolz auf all das sein, was sie getan haben. Seid ihr stolz?“
„Wir sind stolz“, riefen sie im Chor.
Schnell leerte sich das Zimmer. Im nächsten Moment war
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