Bisduvergisst
besteht Anlass zu der Vermutung, dass der Mord an Julika Cohen in die Hackerszene führt. Sie hatte eine CD bei sich mit einem bislang unbekannten Computerprogramm …«
»Verbindungen zu Pornografie?«, rief eine Frau aus dem Publikum.
»Kaum anzunehmen«, erwiderte Nero. Der Schweiß rann ihm über die Schläfen in den Drei-Millimeter-Bart. Sei professionell, mahnte er sich. Sie macht ihren Job, du machst deinen. Sie tut dir nichts. »Die Software ist, soweit wir bisher herausgefunden haben, zum Infiltrieren fremder Rechner gedacht. Was genau das Programm tut, wissen wir noch nicht.«
»Wirtschaftsspionage?«, fragte jemand vorwitzig.
»Ein neuer Virus?«, tönte ein anderer.
»Derzeit lässt unsere Abteilung das Programm auf alle möglichen Systeme los. Früher oder später wissen wir, was es damit macht.«
»War Julika Cohen eine Hackerin?«, erkundigte sich ein älterer Mann, der mit einem gigantischen Objektiv vor dem Bauch neben der Tür lehnte.
»Wir nehmen nicht an, dass sie selbst dieses Programm geschrieben hat«, sagte Leitner. »Wir ermitteln in ihrem Umfeld. Noch Fragen?«
Er macht das cool, dachte Nero bewundernd. Obwohl der Ausdruck zu ihm nicht passt.
»Verfolgen Sie noch andere Spuren?«, fragte ein Mann mit glattem, schwarzem Haar, der Nero entfernt an einen Filmschauspieler erinnerte.
»Wir ermitteln in alle Richtungen, aber die Computersache ist unsere wichtigste Spur.« Leitner ließ seine Faust auf den Tisch donnern. »Herrschaften, wir brauchen eure Hilfe bei der Suche nach Zeugen …«
Zehn Minuten später hatte sich der Raum geleert, bis auf den Reporter mit dem amerikanischen Filmstargesicht, der jetzt leise auf Leitner einredete. Nero stand mit Yoo Lim am offenen Fenster und blickte auf das gelbe Gebäude gegenüber. Aus Anlass der Landshuter Hochzeit war es mit Birkenbäumchen und grünen Kränzen geschmückt. Die über der Straße flatternden blauen, roten und weißen Wimpel weckten in ihm die Vorstellung, dass hier eine wirkliche Hochzeit stattfand. Nichts Konstruiertes. Er hörte, wie Leitner mehrmals »nein, kommt nicht infrage« brummte.
Was für ein herrlicher Sommertag. Keiner von denen, die man gerne vor einem Bildschirm verbrachte, um sich durch Zahlenkolonnen zu klicken. Die junge Kollegin bombardierte Nero mit Fragen zur Karriere am LKA. Sie war ehrgeizig und hatte was auf dem Kasten, keine Frage. Bei Bedarf würde er Woncka einen Tipp zu ihren Gunsten geben. Aus den Augenwinkeln sah Nero, wie Leitner sich eine Zigarette nach der anderen drehte und die fertigen Tschicks sorgsam vor sich auf dem Tisch aufreihte.
»Lust auf eine Mittagspause?«, fragte Yoo Lim freundlich. »An der Isar? Mögen Sie Fisch vom Grill?«
»Ich glaube, Ihr Chef wollte noch etwas besprechen. Danach gern.«
»Gehen wir ins Büro. Der Leitner saugt sich sowieso erst mal ein, zwei Joints in die Birne.«
Leitner sah zu ihnen herüber, als er seinen Namen hörte. Yoo Lim winkte ihm zu. Nero folgte ihr auf den Gang.
20
Kreuzkamp und ich saßen am Isarufer und sahen zu, wie das schlammige Wasser eine Menge Holz mit sich trieb. Nach dem ganzen Regen genoss ich die Sonnenstrahlen, die sich zaghaft durch die Wolkendecke streckten. Ich schlang mein Haar zu einem Knoten und stülpte meinen Panamahut über die dicke, dunkle Pracht. Kreuzkamp lächelte mir amüsiert zu.
»Pressekonferenz«, erinnerte ich ihn. Ich hatte keine Lust, mit ihm über die Hutmode der vergangenen 50 Jahre zu diskutieren.
»Die Kripo schießt sich auf ein Hacker-Szenario ein«, erläuterte er schläfrig.
Ich dachte an Nero. Vermutlich war er bei der Pressekonferenz dabei gewesen. Hing sicherlich länger an diesem Fall. Kreuzkamp wollte ich nicht danach fragen. In seiner Gegenwart fühlte ich mich nackt und hinterfragt. Keine Ahnung, auf welchen Typ Frau er stand, aber meine Rundungen schienen ihm zuzusagen. Ich trug eine enge 7/8-Jeans und ein über der Brust gerafftes, knallrotes Shirt und gefiel mir darin. Vorbei die Zeiten, als ich meine Formen unter wallenden Stoffbahnen verborgen hatte. Ich dachte an die Buddha-Diät, die daheim auf meinem Schreibtisch darauf wartete, gargekocht zu werden, und musste grinsen.
»Was ist so komisch?«
»Ach, nichts. Haben Sie eine andere Theorie?«
Kreuzkamp setzte eine Sonnenbrille auf seine Nase, für die selbst Al Capone einen Waffenschein benötigt hätte. »Theorie ist zu viel gesagt. Ich mache mir meine eigenen Gedanken.«
»Soll gesund sein.«
»Ich habe mir den Kopf
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