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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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durchwegs beim Gesinde, als ob die gute Luft konservierend auf diese konservative Gefolgschaft wirke.
    Otto ließ noch immer bei Briefunterschriften das »von« weg, getreu seinen früheren liberalen Tendenzen, doch ergriff ihn plötzlich ein Feudalstolz, der eine angeborene Beimischung adligen Blutes schien. Bon sangue ne peut mentir , oder, wie die Briten sagen: What's bred in the bone Gehörte er doch nicht zum Briefadel wie die Wartensleben, Renard und viele andere, sondern zum alten echten Blutadel. Die Bismarcks standen in Schloß und Kirche als Bilder: Ritter in Eisentracht, Kavaliere mit Spitzenkragen, langen Locken und Zwickelbart, gravitätische Herren mit Allongeperücken des Rokoko und roten Stöckelschuhen, Fridrizianische Zopfspartaner. Mißbilligend blickten sie wohl auf den Letzten ihres Geschlechts, der zwar als Jüngling die scharfe Klinge und Zechmeisterschaft der Ahnen erbte, doch später so verweichlicht verlotterte, daß er nächtelang muffige Bücher las, mit Bürgern und Bauern wie mit seinesgleichen verkehrte und einer schwarzhaarigen Demoiselle aus gutem Hause wie ein girrender Seladon zu Füßen lag. – –
    Der Schönhauser stand als Bezirkskommandeur, den Säbel umgeschnallt, auf dem Kirchhofe zu Wust und hielt eine Kontrollversammlung über 400 Landwehrleute ab, wobei es kalt und naß herging. Dann mußte er sein neues Leibroß Mousquetaire in flotte Gangart setzen, um vier Meilen bis Arneburg zu reiten. Dort ging nämlich ein Schiff in der Elbe unter, und bei den Rettungsanstalten entbrannte ein grimmer Bürgerkrieg mit den Eingeborenen, die ihren Deich für beschädigt erklärten. Der brave HengstMousquetaire, die Stute Breeze ersetzend, die als Mutterstute zu Dewitz' Gestüt nach Mecklenburg abging, trug seinen Herrn leicht über jeden Graben. Denn er stammte von den englischen Rennpferden Demetrius und Redrover und hielt sich bei der Parforcejagd in Ivenack stets vorn hinter dem Kopfhunde. Dieser englische Jüngling schnob verachtungsvoll über kontinentale Hecken hin, und sein Herr kam sich vor wie einer der drei Musketiere von Alexander Dumas, mit dessen verwunschenen Prinzen Montechristo er freilich wenig romantische Ähnlichkeit spürte. Wenn das Kaminfeuer vor ihm knisterte und Odin mit zusammengelegten Pfoten neben ihm lag, beneidete er keine exotische Herrlichkeit. »Kreuzlahm und brokendown «, fand er zu Hause eine weinerliche Epistel Johannas, die von geplagter Sehnsucht zeugte. Man spürte ordentlich, wie gerade die herzigen Briefe ihres wundersamen Liebhabers ihr keusches Herz erobert hatten, bis es nichts mehr kannte als ihn. Das echte Gefühl jedes Liebenden, das des eigenen Unwertes, gemessen an einem so erhabenen Gegenstand, wie dem geliebten Wesen! Sie fürchte, sie habe ihm mit irgendwas im letzten Briefchen weh getan. Auch ihre Mutter meine, Otto habe ihr etwas übelgenommen und sie wegen ihrer Kopfhängerei gescholten. Sie prüfe »mit rabulistischer Sorgfalt« die Zeilen, ob sie nicht Nahrung für ihren Schmerzenshunger enthielten. Ihr Otto sei auch gewiß krank, das ahne sie schon, Übermut komme stets zu Fall. Sie sende ihm dafür ein schönes englisches Gedicht: O do not look so bright and blessed! Was sie selbst betreffe, so protestiere sie gegen seine Verhimmelung oder die peinliche von sogenannten Verehrern wie Herr Assessor Lepsius. Sie sei doch nur ein schlichtes Landmädchen, ein Gänseblümchen! Übrigens wären ihre Vettern Albert und Bruno, auf die er eifersüchtig scheine, weil sie als Jugendgespielen mit ihr verkehrten, die Unschuld selber. Beiläufig rieche sein letzter Brief nach Moschustinktur, offenbar Medizin. Was fehle ihm? – Gar nichts, foi de gentilhomme ! Der Moschus sei Patschouli, das infamste aller Parfüms, mit dem alle Briefe von Freund Dewitz, dem Mecklenburger, geschwängert seien und von dessen Papieren er offenbar ein Blatt abriß als Briefenveloppe. Alles andere Grillen ihrerseits, der kalte, schwarze Tintenfaden leite so viel Mißdeutung herbei, weil Schreiben nur Notbehelf. Er plaudere ganz harmlos und sein Feldzug gegen ihre Melancholie sei nur eine Manöverübung, wo nicht scharf geschossen wird gegen einen markierten Feind. Ihre Schmerzensliebhaberei sei ihm selber nicht fremd, oft lagerten Wolken über seinem Innern. Das englische Gedicht habe ihm gefallen, doch dürfe man Poesie nicht aufs eigene Leben übertragen. Wenn Mister Grief sich nähere, so müsse man ihn, den Herrn Gram, mit höflicher Ergebenheit erwarten.

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