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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gebärdet, behütet vor Enttäuschung!« lachte Gerlach behaglich. »Unsere Altvordern müssen ja ausbündige Erfahrungen mit unseren schönen Urahninnen gemacht haben, als sie das ominöse Wort Windsbraut erfanden.« Geistreich und weltkundig, dabei tadellos als praktischer Jurist stand dieser Freund Bismarcks bei ihm in hohem Ansehen. Gerlach fesselte seinen Geist, wie Blanckenburg sein Gemüt. »Ja, die ganze Gegend wird wieder weiß, heute früh hatten wir sechs Grad Kälte. Die Elbe kann nochmals zufrieren und der ganze Deichkram Ihnen wieder auf den Hals kommen.«
    »Diesmal hält mich nichts ab, ich verlange Urlaub von der Regierung. Am 27. März gebe ich mich auf die Post nach Pommern, am 20. habe ich leider noch Termine.«
    »Und die Politik?« sondierte Gerlach vorsichtig. »Beiläufig klagt Brauchitzsch über Unwohlsein. Würde es Sie gar nicht reizen, an seiner Stelle nach Berlin zu gehen? Sie wären dafür der rechte Mann.«
    »Wie kamen Sie nur auf solchen Einfall! Der majestätische König – will sagen des Königs Majestät – vermißt gern in mir einen seiner trefflichsten Vertreter, er merkt es gar nicht, kennt den Namen nicht mal!« lachte Otto heiter. »Na, die Liebe geht immer vor und jetzt soll jede Scheidewand fallen, die mich von meiner Liebsten fernhielt.«
    Gerlach schwieg eine Weile und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Hm! Sprachen Sie mit Wartensleben und anderen Gutsnachbarn über die Landtagsberufung?«
    »Sehr wenig. Was geht's mich an! Ich glaube nicht an politische Reformen, nämlich, daß sie etwas Wesentliches am menschlichen Dasein ändern. Was versteht denn solch ein Präsident oder Minister! Er rührt Aktenstaub auf, immer nur mit Papier und Tinte in Berührung.«
    Gerlach rückte unruhig auf seinem Stuhl, er fühlte sich getroffen: »Wer ehrlich seine Akten durcharbeitet, wird doch wohl verständig verfügen.«
    »Mitnichten! Der tote Buchstabe, den man unter die Menschen ausschickt, tötet das Lebendige mit der kalten Unbiegsamkeit seiner papiernen Floskel. Das Gute, was eine Regierung sich ausdenkt, wird un- und mißverstanden, weil es fast immer mit der schnöden Wirklichkeit und der lieben Gewohnheit kollidiert.«
    »Ein großer König oder Staatsmann mildert doch sicher das Elend der Untertanen.«
    »Materiell durch amtliches Wirken? Nie, höchstens ideell, indem er irgendein seelisches Streben seiner Nation erfüllt oder durch sein Vorbild die Zeitgenossen erhebt. Das ist vorübergehend. Erziehen kann man die Menschen nicht zum Idealismus, das Materielle hat sein ewiges Recht, und nur ein selbstbetrügenderNarr kann wähnen, er habe eine wirkliche Lebensnot beseitigt, und um eine wirkliche Freude das Volk bereichert.«
    »Dann müßte jeder in Verzweiflung die Augen schließen, der seinen Mitmenschen nützen will, Sie unverbesserlicher Pessimist!«
    »Für andere, für das Allgemeine vermögen wir nichts. Übrigens ist schnuppe, ob wir anderen ein irdisches Paradies bereiten würden, denn im Verhältnis zu endlosen Jahrtausenden der Ewigkeit ist das alles eitler Plunder, Staub und Moder. Was hilft den Toten, ob sie im Diesseits Leid oder Freud hatten!«
    »Ich verstehe ganz wohl.« Gerlach dämpfte die Stimme. »Sie stehen also auf ganz positiv christlichem Standpunkte, der die Erde als Jammertal verwirft.«
    »Das tue ich auch, doch bedurfte es dazu nicht meiner Bekehrung, denn über den Unwert des Menschenlebens dachte ich immer so.«
    »Man kann aber anderen in höherem Sinne helfen, seelisch.«
    »Nein, da muß sich jeder selber helfen. ›Selbst ist der Herr von Selbst.‹ Nur für uns selber hat das Erdenleben einen Sinn, bittere Erfahrung bleibt uns unverloren und wird folgenreich. Man erstrebt die eigene Heiligung oder büßt sie ein. Und später –« Er senkt tiefsinnend das Haupt. »Früher glaubte ich an die Wiedergeburt der Inder, was man bei uns irrtümlich Seelenwanderung nennt. Auch ein kluger Kopf wie Lessing glaubte daran, obschon er die Lehre nur verfälscht von den Ägyptern überkam. Heut als Christ – nun, da hab' ich keine klare Vorstellung vom Jenseits, doch verlasse ich mich auf Gottes Weisheit, die schon das Förderliche kennen wird. Übermorgen«, brach er ab, »habe ich eine sonderliche Schweinerei. 41 Bauern zanken, jeder haßt die anderen 40, jeder opfert gern 30 Taler, wenn nur der andere 10 verliert. Mein biederer Vorgänger verschleppt die Chose vier Jahre mit Terminen ohne Ende, wobei er von jeder Partei Geschenke bekam, die

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