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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Daß »die schönsten Dinge am schnellsten sterben«, wie der Brite singe, diese Fälschung der Wahrheit entstehe nur durch unseren ungenügsamen Undank. Wir lamentieren, daß wir dasGute nicht mehr haben, aber daß wir es hatten, was viele andere nie besaßen, das vergessen wir. Und wäre jener Satz wahr, dann müsse man um so mehr die selbstquälende Furcht abschwören, das Gute könne uns je entrissen werden. Gewiß, einmal müssen wir alle scheiden vom Leben und Liebe, also setze dem trägen Gaul des Alltags die Sporen ein und jage über Stock und Stein, auf die Gefahr hin, den Hals zu brechen. Das sei auch ein rechter Unsinn im Gedicht: es wäre besser, to live and die in vestal silence , als »a moment cherished and then cast away« . Solch altjüngferliche Abgeschlossenheit verdorre nur als unfruchtbare Wüstenblume. Und gibt es nicht Eigenschaften, die niemals welken? So wird die Geliebte im Herzen ewig blühen. Mit etwas freilich kränke sie ihn, nämlich mit dem Staunen, daß Leute wie Leps sie anbeten. Das sei deren verdammte Schuldigkeit, sonst wäre er selbst ja ein Geschmackloser, der über deutsche Rosenbeete nach einer Butterblume greife. Im Gegenteil müsse sie jeden verachten, der noch nicht um sie anhielt, denn Monsieur de Bismarck liebt mich, also ist jedes männliche Individuum, das mich nicht anbetet, ein versoffener Trottel. (Das letztere faßte er wieder in französische Worte.) Auf vertraute Jugendgespielen sei er nicht eifersüchtig in deren Eigenschaft als Männer, sondern weil sie gewissermaßen Freundinnen wären in ihrer weichen Zutunlichkeit. Nach solcher beleidigenden Bescheidenheit möge sie vernehmen, daß er über 14 Tage am Samstag unter dem Schutzheiligen St. Rupert die 40-Meilenreise beginnen und am Dienstag Ebernhardus an ihrem Herzen ausruhen werde. – –
    In Magdeburg tobte ein Krieg der Hausfrauen wegen einer Verfügung in Sachen der Dienstmägde, wobei sich hundert Damen beim Regierungsvertreter Gischel ungestüm zur Audienz drängten. Für so vorlautes Ewigweibliches hatte der schwärmerische künftige Ehemann nur ein brummiges Mulier taceat in ecclesia . Auch eine Audienz bei ihm selber brachte die Reize einer weiblichen Zunge peinlich zu seiner Kenntnis. Eine elegante Dame stellte sich vor als Frau des Postbeamten in Fischbeck. »Wir sind aus Danzig und hier fremd. Mein Mann bindet also, ohne daß jemand etwas merkt, seit Monaten eine Frauensperson den Leuten als seine Schwester auf, die bei ihm wohne. Sie heißt ganz anders, und der gnädige Herr als Polizeibehörde muß es untersuchen, wenn ich bitten darf.«
    »Sie leben mit Ihrem Herrn Gemahl in Unfrieden?«
    »Jawohl. Und das Mensch ist meine Rivalin.«
    »Ist sie hübsch?« schmunzelte er, denn er sah die Antwort voraus.
    »Die! Keine Spur! Ein Scheusal! Aber so sind die Männer!«
    »Danke sehr! Also ist sie hübsch! Ich werde die Dame bitten, mir ihre Papiere zur Legitimation vorzulegen.«
    »Die Dame! der gnädige Herr beliebt zu spaßen.« Mit einemhalb giftigen, halb koketten Blick rauschte sie davon. Er wiegte nachdenklich den Kopf. Wie ekelhaft solche Eheverirrung, wo die Leute ihre schmutzige Wäsche auf offenem Markte waschen! Diese fraglichen Weiber taugen natürlich alle beide nichts, und in den höheren Ständen sind nur die Formen anders, das Menschliche nicht. Vor solchem Gekeife behüte uns der Himmel! Ich werde mein Haus rein halten, das schwör' ich, Johanna, und ich werde der Klatschsucht nie die winzigste Nahrung geben. – Sieh' da, die Sonne ist unter, noch neunmal wird sie aufgehen, bis ich auf die Brautfahrt ziehe. Des Märzen Idus sind bald da. – Doch der Mensch weiß nie, was ihm in des Märzen Idus blüht. Und ein Prophet wäre verlacht worden, der ihm und allen Preußen geweissagt hätte: genau über ein Jahr wird ein März ins Land ziehen, den man nie vergessen wird, wo ein mächtigerer Strom als die Elbe alle Deiche überschwemmt, figürlich gesprochen.
    Johanna hatte ihn brieflich ausgelacht über seinen Aberglauben mit der Uhr und der Traumdeuterei, als tappe er im Nebel, so daß die verständige Braut ihn leiten müsse. Nun ja, wir sind meist problematische Naturen, ein Knäuel von Widersprüchen. Der britische Philosoph des Materialismus, Hobbes, litt an Gespensterfurcht, er leugnete Gott und glaubte an Geister. Gegenüber dem Übersinnlichen muß man sich an Hamlets Worte halten: es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als eure Philosophie sich träumen läßt. So viele

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