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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Gerichtstage aber zu Wirtshausprügeleien ausarteten.«
    »Dies zweifelhafte Vergnügen wird wohl ein Danaidenfaß werden, ein unausschöpfbares. Verbissene Bauern bringt kein Mensch auseinander.«
    »Na, wollen mal sehen, ob ich's nicht zustande bringe. Die selige Mutter schimpfte mich immer Diplomat. Diplomatie der Grobheit ist mein Stil, und ich werde mit den Kerls Plattdütsch reden, so gediegen, hanebüchen, saftig, daß sie die Mäuler aufsperren.« –
    Bravo, Junker v. Bismarck! Schmeichelnd, liebenswürdig und klotzig grob, selber oft als Jubiter tonans brüllend und zornig, brachte er alle unter einen Hut. Vier Stunden dauerte dies Behämmern widerborstiger Bauernschädel, doch endlich hatte er sie zusammen. Als er mit sämtlichen Unterschriften in den Wagen stieg, empfand er ein Hochgefühl. Ja wahrlich, wer vierzig störrige Bauern vereinigt, der könnte auch vierzig giftige Kleinstaateneinen. So vermessenen Vergleich zu ziehen lag ihm fern, doch sagte er sich, daß nur persönliche Suggestion in einem Kreise, den man kennt und übersieht, zum Ziele führt. Zankende Bauern sind kein Gegenstand, wohl aber die Gewißheit, daß das Volk nur Frieden hält, wo der Regierende unmittelbar mit den Regierten verkehrt. Da hat man noch Freude an einem Amt, und es ist ein Fluch der Könige und der meisten Minister, daß sie von der wahren Realität nichts wissen. –
    Der König fuhr in seinen Widersprüchen fort, ermutigt durch seinen Vertrauten, den Gesandten v. Bunsen, der überall tiefsinnig beteuerte: »Der König weiß, was er will.« Erst berief er die Ausschüsse aller Provinziallandtage nach Berlin, behandelte aber den konstitutionellen Standpunkt als eiteln Wind von Tageslehren. Erst lüftete er der Presse den Zensurknebel, verbot aber dann selbst den Verkauf auswärtiger liberaler Zeitungen. Er ließ den badischen Abgeordneten Hecker als Unheilstifter ohne weiteres von der Grenze weisen, weil dieser unter Vorwand einer Vergnügungsreise ins Preußische nur böses Blut machen wollte. Da war der König in seinem guten Recht, nur hätte er dann nicht vorher großartig ein freies Wort gestatten sollen. Und so ging es im Zickzackkurs hin und her, weder die Konservativen noch die Liberalen zufriedenstellend, bis plötzlich am 3. Februar 1847 die Bombe platzte und ein »Patent« wirklich eine Art Reichstag berief. Doch was er mit dieser Hand gab, zog er mit der anderen zurück, denn er stellte es als bloßen Akt der Gnade dar, wodurch er natürlich jeden Rechtsbegriff für Verfassungslehre unterband.
    Bei mehreren elbischen Standesgenossen fand der Schönhauser Deichhauptmann Verständnis für seine halbliberalen Anwandlungen. Man besprach die Broschüre eines jüdischen Justizrats Simon, welche einfach riet, ein solches bloßes Gnadengeschenk abzulehnen.
    »Zweifellos steht das im Widerspruch zu den allerhöchsten Verordnungen vom 22. Mai 1815 und 17. Januar 1820«, bemerkte Herr v. Schierstädt. »Alles, was recht ist.«
    »Bah, Macht geht vor Recht«, lachte der Deichhauptmann geringschätzig. »Wenn die Doktrinärs ihren Rechtsboden haben, so hat der König Kanonen genug, ihn zu durchlöchern. Auf so was laß ich mich nicht ein. Wahr aber ist eines: Nicht weil der König es will, soll Recht recht sein, sondern weil es recht ist, will es der König. So denkt sich der loyale Staatsbürger das wahre Königtum.«
    Der andere räusperte sich. »Man denkt sich viel. Majestät sind sich gewiß der reinsten Absichten bewußt, doch sollen allerhöchst sie noch vor zwei Jahren zu Herrn v. Bunsen und Lord Aberdeen geäußert haben – ich habe es aus bester Quelle –: Im Laufe der Jahrhunderte möge sich wohl aus unserer städtischen Ordnung eine Verfassung entwickeln. Glauben Sie, unsere hitzigeschnellebige Zeit, die schon per Eisenbahn fährt, werde so lange warten?«
    Der Schönhauser zuckte mißmutig die Achseln. »Die Welt wird schöner mit jedem Tag, man weiß nicht, was noch werden mag.«
    »Das ist von Uhland, nicht? Der hat auch gesungen: Wenn heut ein Geist hernierstiege, zugleich ein Sänger und ein Held ... na, von Sängern haben wir schon übergenug, aber Helden sind rar. Überall in Deutschland drängt sich das Revolutionäre vor, in Baden, Bayern, Hannover, Sachsen ... alles ein großer Augiasstall und nirgends ein Herkules mit dem Kehrbesen oder der Mistgabel. Hehe, lieber Bismarck, wenn's die Gliedmaßen täten, dann wären Sie selber zum Herkules bestellt ... aber auf den Zollstock kommt's dabei

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