Bismarck 01
Saaten in Schönhausen wohlgeraten und die Schafewohlgenährt. Er schickte auch noch ein Paar reichgestickte, rote Pantöffelchen, die er aber in seinem eignen Interesse, um später beim Ehestand nicht zu hart unter den Pantoffel zu kommen, recht leicht ausgesucht habe. Er hole seinen Gaul Mousquetaire nach Berlin hinüber, um durch flotten Galopp die Grillen aus dem Gemüt zu schlagen. –»
Der berüchtigte lange Junker Bismarck war schon eine ziemlich stadtbekannte Person. Wenn er die staubigen Tiergartenpromenaden entlang wanderte, folgten am Hofjäger, wo die elegante Welt spazierenfuhr, seiner hohen Gestalt freundliche Blicke aus Frauenaugen. Das ließ ihn völlig kalt, in seinem Schädel tanzte nur die Jungfer Politik, eine spröde, launische Schöne, die eher einer zänkischen, alten Jungfer glich. »Du, ich hole dich zum Wasserkorso nach Potsdam ab«, mahnte ihn ein Freund, der Schlesier v. Schaffgotsch. Da gab es viel zu sehen. Auf dem weiten, bläulichen Wasserbecken der Havel und von der Pfaueninsel bis Babelsberg schwammen Hunderte von Booten, alle mit Festschmuck verziert. König und Hof, die ganze Beaumonde von Berlin und Potsdam knäuelten sich hier in einem Regattatrubel durcheinander und bewarfen einander mit Blumensträußen, nicht nur trocknen, sondern im Wasser genäßten, wodurch sich manch lustiges Aufkreischen ergab. Man fuhr aneinander vorbei, man legte sich Bord an Bord zu diesem bunten Bombardement, und niemand fragte, ob diese geputzten Herren und Damen Royalisten oder Liberale seien. Inmitten des Havelsees ankerten drei Dampfer, deren Musikchöre fröhliche Weisen erschallen ließen. »Du, wir wollen zum Bahnhof zurücklaufen per pedes apostolorum !« schlug Schaffgotsch vor, worauf Ottos lange Beine sich zu schneidiger Gangart in Bewegung setzten. Dreiviertel Meilen in halbem Trab war kein Kinderspiel, und nach kurzem Souper stieg Otto gleich in die Klappe, endlich mal schlafend wie ein Block. Diese Potsdamer Heiterkeit verbesserte seine umdüsterte Stimmung, alles schien wieder sonnig, und keine Wetterwolken waren am Horizont.
Moritz Blanckenburg schrieb über gute Schafschur, worauf Otto sich den Kinnbart scheren, nur den dicken Schnurrbart über der Oberlippe stehen ließ und vier Stunden lang kreuz und quer im Tiergarten herumgaloppierte, daß der Staub hinter ihm aufflog. Er bekam einen übermütigen Krakehlerelan, glänzte auf einem Ministerdiner durch schlechte Witze, kritzelte in einem Nebenzimmer des Landtagssaales im Berliner Schloß Liebesbriefe nach Reinfeld auf Seiner Majestät Papier, gegeben im Schloß zu Berlin, und hielt Dienstag, den 1. Juni, eine grimmige Rede gegen v. Vincke. All diese Gänsefederargumente der Zeitungsschreiber und die öffentliche Meinung der Bierkneipen seien ihm schnuppe. Die wahre öffentliche Meinung höre man doch nie. Ein Königswort sei mehr wert als alle Wortklauberei. Der Vergleich mit England, wo man Jakob II. vertrieb und die neue Konstitution von Wilhelm dem Oranier abhandelte, sei sinnlos.Damals hatte das Volk nach einem Jahrhundert von Revolution und Bürgerkrieg die Macht, während die Hohenzollern nicht durch Volksgunst, sondern durch die Gnade Gottes regierten. Die Rede fand bei den Parteigenossen Beifall und Freude. »Sie sind ja der richtige Vinckenfänger«, betitelte ihn ein Herr v. Kameke von Bruder Bernhards Verwandtschaft. Einige, die früher von dem »wilden Junker« scheu abrückten, drückten ihm jetzt die Hand.
»Kinder, hier hab' ich ein Zeitungsblatt aus Freiburg im Breisgau, voll Zuvorkommenheit für mich. Das hätt' ich mir von der Schweizer Grenze nicht erwartet.«
Otto hatte seinen gewöhnlichen Abendritt zum Café Gungl gemacht, wo es Musik gab. Er traf dort zwei Verwandte der Puttkamers, Frau Lasius mit schönen Augen und Karl Woedke mit dem schönen Französisch, worauf der frühere Diplomatiekandidat viel Wert legte. Die Dame versicherte ihn, daß er schon eine Art Zelebrität sei von wegen seiner Bissigkeit gegen die allmächtige Opposition. Er lehnte bescheiden ab: »Ach, meine Gnädige, so pomphaft wir uns alle anstellen, es wird im Grunde nur leeres Stroh gedroschen. Anfangs mußte ich das Kanonenfieber überwinden, die Scheu vor öffentlichen Reden, und jetzt, wo ich sattelfest bin, fühle ich gar keinen Trieb, mein Licht über den Scheffel zu stellen.« Auf nachfolgender Parteiversammlung im Hotel de Rome, wohin er die Linden entlang spazierte, als schon der Mondschein über den Bäumen hing, verhielt
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