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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mußte warten. Wie hätte das ihr Anbeter sich noch vor Wochen träumen lassen! Er hätte ja den Landtag beruhen lassen können, wenn er durchaus die Liebe über – ja, was denn? den Ehrgeiz? kein Grund dazu – über die Pflicht stellte. Doch er verstand ganz gut, daß er sich in der Gewalt hatte. Herr v. Below und ein Schwestersohn der Schwiegermama, Karl Woedke, hatten aus Augenschein berichtet, daß das Verhältnis zwischen Johanna und der Stute Brunette behaglicher geworden sei. Leider kamen dann wieder Nachrichten aus Reinfeld, daß sie kränkele, was wohl bräutlichem Schmachten in Hangen und Bangenentsprang. Otto geriet darüber außer sich und hörte kein Wort von den Sitzungen, mit seinen ritterlichen Gedanken nur bei seiner Dame, vor deren Tür er liegen wolle, sie zu hüten, schrieb er in rührenden Briefen. Doch über die Landtagsverhandlungen bekannte er: »Die Sache ergreift mich viel mehr als ich dachte.« Er befand sich in fortwährender nervöser Aufregung, aß und schlief schlecht, obendrein durch Geldgeschäfte mit seinem Pächter verdrießlich gestimmt.
    »Wie ist's mit einer Schachpartie?« lud ihn der alte Puttkamer ein.
    »Entschuldige mich, Papa, Herr v. Goldow wird ja gern dein Partner sein. Aber wenn man täglich auf dem politischen Schachbrett Schach dem König ansagt, vergeht mir die Lust am Spiel.«
    »Und ich werde, wenn ihr erlaubt, hier auf dem Sofa schlafen«, seufzte der alte Thadden. »Des Nachts hat man vor lauter Politik nicht Ruhe. Jotte doch, dies ewige Breittreten von Kleinigkeiten ist doch das reine Zeittotschlagen, die Kammer züchtet geschäftigen Müßiggang. Und dabei die Selbstgefälligkeit der Herren Redner, wo jeder seinen Jungfernspeech für ein Ereignis hält.«
    »Das ist's ja eben«, fuhr Bismarck auf. »Das wird eine neue Industrie, von der man bislang in unserem alten Preußen nichts wußte, vom Ausland importiert: Parlamentarierfabrik von Parteigeist, Schwatzsucht und edler Dreistigkeit im Auftreten. Ursprünglich kam ich noch nicht so gallig her, aber nun weiß ich, daß bei diesen Leuten niemals das Heil liegt, daß jeder Wohlgesinnte den Staat gegen diese Majorität von Phrasendreschern und Selbstlingen verteidigen muß.«
    Sein Bruder Bernhard trat ein, sehr geknickt. »Mein Schwiegervater Fanninger schreibt mir, mein Ältester sei hoffnungslos erkrankt. Soll ich reisen oder bleiben, jetzt, wo es oft auf eine Stimme ankommt, ob die nächsten unheilvollen Anträge im Landtage durchgehen oder nicht?«
    »Du wirst wohl nach Hause reisen müssen,« entschied Otto, »aber ich, Papa, so schwer es mir fällt, mag zu Pfingsten nicht nach Reinfeld. Ich muß auf dem Posten beharren.«
    »Aber Junge, laissez faire! Nimm's nicht so wichtig!« beschwichtigte der heitere alte Herr. »Man wird dich auf ein paar Sitzungen entbehren können.«
    »Eben nicht, du weißt, ich habe einigen Einfluß bei der sogenannten Hofpartei und ziehe dort ein bißchen die Zügel an, um unsere Ultras bei Seitensprüngen in der Kandare zu halten.« –
    Doch er selber machte einen rednerischen Seitensprung in ein Wespennest hinein. Bisher hielt er sich ganz zurück, wissend, daß er kein Redner sei. Da rief ihn eine Rede des Herrn von Saucken-Tarputschen in die Schranken, der mit leidenschaftlicher Tonart den Gegensatz schilderte, wie gleichgültig sich das Volk beim Jena-Zusammenbruch benahm und wie heroisch nachher, weil inzwischendurch das Emanzipationsedikt befreit: »Es hob den Thron auf seine Schultern, trug ihn von Sieg zu Sieg durch Ströme von Blut zu ungeahnter Ruhmeshöhe!« Da sprang der lange Schönhauser auf, zu solchem Speech konnte er nicht schweigen, sein Nationalsinn fühlte sich verletzt. Nicht ohne Beredsamkeit heftiger Erregung protestierte er gegen die Legende, der Befreiungskrieg sei nur um eine Verfassung entbrannt, als ob das Franzosenjoch nicht völlig genügte, das Volk aufstehen zu lassen zur Abschüttelung schimpflicher Fremdherrschaft. Man tue der Nationalehre einen üblen Dienst, zu unterstellen, Mißhandlung und Demütigung durch fremde Herren hätten nicht schon genug das Blut kochen lassen und nicht jeden anderen Wunsch dem allgemeinen Franzosenhaß unterworfen. Daß die Preußen in ihrem eigensten Interesse sich selbst befreiten dafür ihrem König eine Verfassungsrechnung vorzuhalten, sei unwürdige Erpressung.
    Darob erhob sich ein wilder Sturm, zumal der durchdringende, verächtliche Blick des Redners seine Worte noch unterstrich. Murren und Zischen

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