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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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er sich schweigsam und dachte nur an den Tag, wo Pfarrer Sauer unterm Holzdach der Koglizower Kirche ein gewisses Brautpaar zusammengeben werde, dachte auch an die Pflanzungen, weißen Brücken und Bänke im Kniephof, alles sein Werk, die nun verwuchern, verwachsen, zerfallen würden, dachte an die Hochzeitsreise nach Salzburg und Tirol, die Alpen, zu denen es ihn majestätisch hinzog. So lagen eine unzerstörbare Romantik und eine gewisse Sentimentalität bei ihm stets im Streit mit dem Sinn für Realitäten. Auch ein mittelalterlicher Feudal-Royalismus mit unbedingter Anhänglichkeit an den Träger der Krone ging bei ihm aus romantischer Ritterlichkeit hervor. Bitter wurmte ihn, daß seine Standesgenossen sich gegen ihren König auflehnten, ihn gegen die Demokratie im Stiche ließen. Ein Graf Schwerin, ein Nachfahre des bei Prag gefallenen Helden, befürwortete zuerst die aufrührerische Adresse an den König, und der erste Landtagsmarschall Fürst Solms stellte diesem Unterfangen nichts in den Weg. Wie schmählich nahm Minister v. Bodelschwingh, der erste Rat der Krone, diese Anmaßung auf! Der Westfale Freiherr v. Vincke tobte förmlich gegen die vernünftigsten Regierungsvorlagen, nämlich die Landrentenbank und die Anleihe für die Ostbahn, und brachte beide zu Falle. Als »Onkel Glasenapp«, Bruder der künftigen Schwiegermama, Otto von dem Sitzungssaale zum Gabelfrühstück abholte, begegnete ihm auf der Treppe ein Abgeordneter, der eine schwarzrotgoldene Krawatte trug und leicht an den Hutgriff. Otto streckte zögernd die Hand aus. »Wie geht's sonst, Herr Assessor?« Schramm, der alte Genosse der Berliner Studienzeit, verzog den Mund zu ironischem Grinsen.
    »Wie Sie sehen, gut. Ça marche. Erinnere mich manchmal unserer Gespräche von anno Tobak. Wer behält recht?«
    »Das weiß ich nicht. Guten Morgen!«
    Der alte Onkel räusperte sich. »Das ist ja wohl der berüchtigte Schramm? Du scheinst ja seine Bekanntschaft zu haben.«
    »Bah, jedes Tierchen hat sein Pläsierchen. Der leidet an der Verneinungssucht, 'ne Abart der Gelbsucht. Ich bin die Kraft, die stets verneint, sagt Goethes Mephisto.«
    »Goethe, der alte Heide? Den sollte ein rechtschaffener Christenmensch gar nicht in den Mund nehmen.«
    Otto seufzte leicht. Ja, er hatte auch nette Bekanntschaften gemacht in letzter Zeit, diese braven Kongoneger aus Hinterpommern. Aber darin stimmte er ganz überein, als der Onkel in Töpfers Hotel, wo andere Edelleute sie erwarteten, über die Auerswald und Saucken loszog, deren Verstocktheit sogar das Eisenbahngeschenk aus den Händen der Regierung verschmähte.
    Die Ostpreußen brachten einstimmig das materielle Interesse ihrer Provinz ihrem konstitutionellen Rechtsgefühl zum Opfer, verweigerten jede Bewilligung eines Darlehns zugunsten »dieses Staates«.
    »Solche doktrinäre Veranntheit! Da sieht man's ja, daß mit solchen Mondsüchtigen nicht zu regieren ist!« Der Abgeordnete Bismarck schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn, biß sich aber auf die Lippen, als Herr v. Kamecke spöttisch erinnerte: »Sie gaben ja selbst Ihr Veto gegen die Landrentenbanken.«
    »Weil man dabei aus der Haut von uns Gutsbesitzern Riemen schneiden möchte. Wenn der Landtag nun mal ständische Interessen vertreten soll, eh bien , so tue ich das für meinen Stand auch gegen die Krone.« Aber er schwieg verdrießlich, denn es fiel ihm auf, wie kitzlich bei ihm immer der Geldpunkt bleibe, stets gewohnt, mehr auszugeben als einzunehmen. –
    Als der Kampf anging, nickten Gesinnungsgenossen wie Bruder Bernhard, Landrat und später Kammerherr, oder Vetter Bismarck-Briest und Herr v. Wedel verständnisinnig, als der gut unterrichtete und eigenartige Thadden bekannte: »Wir alle sind schlechte oder gar keine Redner.« Der Vertreter Jerichower Ritterschaft machte anfangs eine magere Rhetorikerfigur gegenüber den fetten Gärtnern liberaler Phrasenblüte. Selbst er entzog sich nicht der Berauschung, die von solchem Aufwand blendenden Sprachpomps ausging, doch er spürte den ungesunden Hauch des betäubend schwülen Schirokko, schwanger vom Leichengift totgeborener Phantome. Die wortreiche Begeisterung der Dreiständekurie belächelte das erste Auftreten des langen Altmärkers mit dem jetzt kurzgeschorenen Blondhaar und dem langen Vollbart, dessen Antlitz die Röte bäuerlicher Gesundheit trug. Nachdemer schlicht, ohne jedes Pathos, manchmal stockend sprach, meinte nur der verständige Vincke: »Der hat einen schneidenden Klang,

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