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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sicher.« Und der Junker besah vergnügt seine Fäuste.
    Die Rede stieg, beginnend mit höflichem Spott in ernsten Formen. Er gehöre jener Richtung an, welche der geehrte Abgeordnete für Krefeld gestern als finster und mittelalterlich bezeichnete, und dem unintelligenten großen Haufen, dem der geehrte Abgeordnete aus Posen so viele schöne Epitheta anhängte. Der geehrte Abgeordnete der Grafschaft Mark, hier verbeugte er sich vor Georg v. Vincke, habe das Evangelium und das allgemeine Landrecht verglichen, und er gebe zu, daß der Staat nicht gerade die christlichen Heilswahrheiten realisiere. Aber die christliche Grundlage sei wenigstens vorhanden und danach müsse verfahren werden. Ein geehrter Redner der schlesischen Ritterschaft – Graf Renard – habe ganz eifrig erklärt, er wolle die Juden emanzipieren, wenn sie selbst die trennenden Schranken niederrissen. Er merke von Unterdrückung der Juden nichts weiter, als daß sie nicht in den Hafen der Bureaukratie einlaufen oder Generäle, Kriegs- und Kultusminister werden können. Dazu beglückwünsche er Preußen. Die äußerst klare und formell vortreffliche Rede schloß: »Ich möchte den Herren, die so gern ihre Ideale jenseitsder Vogesen suchen, eins zur Richtschnur empfehlen, was den Engländer und Franzosen auszeichnet. Das ist das stolze Gefühl der Nationalehre, das sich nicht so leicht dazu hergibt, nachahmenswerte Vorbilder im Ausland zu suchen.« Nach lebhaftem Bravo der einen, Unterbrechungen und Ungeduld der anderen Hörer sah sich der konservative Dunkelmann von liberaler Seite gekennzeichnet, daß man in ihm »den engherzigen Mittelaltergeist gleichsam in Fleisch und Blut verkörpert vor sich habe«. Das tat dem blutigen Judenverfolger so wohl, daß er sich gleich unter der Säulenhalle des Weißen Saales hinsetzte, und zwar nicht mit Blut, aber mit roter Tinte an seine Braut allerhand Allotria schrieb. Sein Blick schweifte über den Lustgarten, Museum und Zeughaus hin, und das Klingeln des Landtagmarschalls, die Tiraden des Herrn v. Auerswald und die wütenden Ausfälle des Stolper Abgeordneten Gottberg, dessen bodenlosen Jakobinismus er schon früher nach Pommern meldete, auf alle Junker und Junkergenossen störten ihn nicht in einem Mittagschläfchen.
    Seiner Braut schrieb er in halbironischem Tone, er werde bei Hofe von den hohen Herrschaften verzogen, eine Notlüge, um nicht das Frauengemüt zu ängstigen. Im Gegenteil mied der König bei den Festlichkeiten, zu denen die Deputierten geladen, den Ultra in einer für jedermann sichtbaren Weise. Beim Empfang sprach er kein Wort mit ihm, im Cerkel richtete er an jeden höfliche Worte, brach aber ab, sobald er Bismarck bemerkte, kehrte sich um und schwenkte quer durch den Saal ab, als entweiche er aus der Nähe eines Aussätzigen. »Demonstrativ und ostentativ!« murmelten die Parteifreunde, und Bismarck selbst glaubte nicht anders, als daß seine den Gegner provozierende Haltung die königliche Billigung nicht gefunden habe. So wenig kannte er noch den Monarchen, dem es an einer gewissen listigen Verstecktheit nicht fehlte, was er für machiavellistisch feine Diplomatie hielt. Wenn aber die männlich vornehme, ernste Erscheinung des Prinzen von Preußen sich dem Junker Heißsporn freundlich näherte, wobei beide zusammenstehend um Haupteslänge die meisten Beiwohnenden überragten, so geschah auch dies nur flüchtig und mit einer gewissen Verlegenheit. Denn seine Gemahlin, die Weimaranerin, in voller Blüte ihrer edlen und hoheitsvollen Schönheit, hatte kein Wort der Huld für diesen ihr von Anfang an unheimlichen Recken, den sie trotz seiner guten Manieren als einen plumpen deutschen Bären verachtete. Wie konnte man von einem solchen höhere Bildung und englischen Liberalismus erwarten, den sie und somit auch ihr Gemahl zu vertreten sich beflissen! Nicht nur äußerlich nach der üblichen dynastischen Taktik, wonach der Thronfolger die dem Regierenden entgegengesetzte Partei streichelt, damit so das monarchische Interesse in beiden Lagern herrsche. Sondern Prinz Wilhelm war auch innerlich weit mehr als der König einem modernen Verfassungsleben zugeneigt, wofür er in England dasMuster zu sehen glaubte. Seine hohe Gemahlin aber schwärmte für alles Weststaatliche mit besonderer Abneigung gegen Rußland, obschon sie selber eine russische Großfürstin zur Mutter hatte. Böswillige, die an keine Objektivität beim Weibe glauben, schoben dies auf häusliche Nebenbuhlerschaft von Mutter und

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