Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
hallte vom Kampanile, der Flügelleu runzelte die Stirn, und die Tauben von San Marco schnäbelten auf der Piazza, indes die farbigen Arabesken des Domes und die schimmernde Kuppel ein ewiges Wappen der Meereskönigin schienen, die aus Gold, Brokat und Atlas das samtweiche Glühen ihrer Prachtgemälde schuf.
    » Sic transit gloria mundi! « murmelte Bismarck, als er vom Hotelbalkon über diese schöne Leiche einstiger Größe hinschaute, vom faden Geruch der Lagunen wie von Verwesungshauch umspült. »Siehst du, Liebchen, jedes Jahr hat sich der Doge mit dem Meer vermählt auf dem Brautschiff Bucentaur, und wo ist heute der Doge? Nur das Meer bleibt ewig.«
    »Das ist eine Warnung Gottes«, meinte die junge Frau. »So kann es jedem Reiche ergehen, das zu hoch hinaus will. Am Ende auch Preußen.«
    »Das wollen wir nicht hoffen, und eine Stimme sagt mir: was auf Sand gebaut, auf märkischen Sand, steht länger, als was auf flüssigem Elemente stand.«
    »Ach, hier wird man ganz poetisch. Hier hat Lord Byron gelebt, den wir so oft zusammen lasen.«
    »Wenigstens einiges von ihm.« Es zuckte spöttisch um Bismarcks Mund, da er Johanna nicht die Illusion rauben wollte; vor Byrons Don Juan würde sie ja in Ohnmacht des Entsetzens fallen. »Ist mir heut doch unerquicklich, zu tragisch affektiert. Die Prosa der Wirklichkeit hat auch ihr Recht. Nun, bist du bereit? Wir gehen ins Theater.«
    »Ist's denn wahr, daß unser König hier weilt?«
    »Es steht so in der Zeitung. Seine Majestät wollen sich endlich mal Erholung von den Regierungsmühen gönnen und Italiens Kunststätten besuchen.«
    »Wenn er dich sähe und anredete!«
    »Bei Gott, dazu sind wir nicht hier. Ich hab' dir ja gebeichtet, daß er mich bei jeder Cour geschnitten hat. Na, da ich nicht mal einen Frack in unserem leichten Reisegepäck habe, wird wohl niemand glauben, ich sei nach Venedig gekommen für Audienzen!«
    Doch Seine Majestät der Hazard, wie Friedrich der Große es nannte, hat seltsame Launen. Kaum saß das junge Paar imTheater Fenice, als sich ein Gewisper erhob: » Il re della Prussia! « und der König in einer Loge erschien. Als sein Blick durchs Parkett streifte, blieb er sofort auf Bismarck haften. Die Fürsten haben bekanntlich einen sechsten Sinn für einmal gesehene Physiognomien, die sie nach endlosen Jahren wieder erkennen. Hier also war es wahrlich kein Wunder, daß im Zwischenakt ein Adjutant erschien und höflich fragte: »Der Herr Abgeordnete v. Bismarck, nicht wahr? Seine Majestät befehlen Euer Hochwohlgeboren morgen zur Tafel.« Ohne eine Erwiderung abzuwarten, die Bismarck hervorstottern wollte, verbeugte er sich mit vorschriftsmäßigem Zusammenschlagen der Hacken.
    »Da haben wir die Bredouille!« Die Vorliebe für Fremdwörter ward dieser urwüchsige Teutone sein Lebtag nicht los.
    »Ich kann unmöglich in korrektem Anzug erscheinen.«
    »Vielleicht wird ein Schneider –«
    »O Italianissima, ich beneide deinen Optimismus. Für meine Statur binnen so wenigen Stunden einen Hoffrack zurechtzaubern, ist ein Ding der Unmöglichkeit.« –
    Als der zur Tafel Befohlene eine Entschuldigung begann, wobei er in bester Haltung weder stammelte noch stotterte, unterbrach ihn der König: »Ah, bah, wir sind hier auch nur à la fortune du pot . Um so gemütlicher! Mir liegt daran, mit Ihnen vertraulich zu plaudern. Ich hatte stets ein Auge auf Sie und werde es mir angelegen sein lassen, Sie gleichsam als meinen Schüler heranzuziehen.«
    »Ich hatte nicht gewagt, zu hoffen –«
    »Sollten Sie wirklich nicht erkannt haben, daß ich gute Miene zum bösen Spiel machen muß? Das heischt die Politik, wie Sie eines Tages noch erfahren werden, wenn Sie Meister der Politik studierten.« Damit meinte der König sich selber. »Nun erzählen Sie mir mal, was Sie von unseren Verhältnissen denken. Apropos, hörten Sie von der Schrift des Herrn v. Radowitz, die er vorbereiten soll?«
    »Zu Befehl. Mit sehr großem Interesse.«
    »Begreiflich. Ich las die Debatten des Landtags recht sorgsam und Ihre Haltung erweckte bei mir eine gewisse Neugier, wenn vielleicht nicht immer meine Billigung. Natürlich nicht betreffs der Grundsätze, im Gegenteil, ich spreche Ihnen meine höchste Anerkennung aus für die ritterliche Rauflust, wenn ich so sagen darf, mit der Sie die Rechte meiner Krone vertreten. Sie sind gleichsam ein umgekehrter Quitzow, doch es ist derselbe Geist. Mit der gleichen adligen Gesinnung, mit der einst die Junker sich unserer Dynastie

Weitere Kostenlose Bücher