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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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ihm betroffen nach. Extravaganter Mensch! Der wäre fähig, sich einem Bonaparte mit Haut und Haaren zu verschreiben, wenn der Preußen groß machen könnte, die deutsche Einheit als Markknochen der Suppe dazu. –
    Otto sprach mit äußerstem Nachdruck gegen das Erfurter Verfassungsprogramm. Bald würde es alle Welt betrachten wie die zwei Doktoren in Lafontaines Fabel den toten Patienten. Der Preußengeist werde ein Buzephalus sein, der seinen gewohnten Herrn mit Freuden trage, doch den Sonntagsreiter abwerfen werde, trotz seiner Schabracke von Schwarzrotgold. Seine Unpopularität wurde noch erhöht, als er in seiner Eigenschaft als Reichstagssekretär den Korrespondenten der mächtigsten deutschen Zeitung, der »Augsburger Allgemeinen«, von der Reportergalerie ausschloß wegen parteiischer Berichterstattung. »Dann werden wir alle nicht mehr berichten«, drohte eine Journalistendeputation. Er lachte: »Diese fürchterliche Drohung führen Sie nur aus. Die moralische Blutvergiftung durch die Presse wird noch allgemeinen Krebs verursachen.«
    »Und die Kreuzzeitung? Die ist wohl immun?«
    »Darauf lasse ich mich nicht ein. Weisen Sie mir dort falsche Berichterstattung über die hier gehaltenen Reden nach! Adieu!« Damit nicht genug, trat er noch für äußerste Beschränkung des Versammlungsrechts ein, des Blasebalgs der Demokratie, der Schere, mit der die konstitutionelle Delila dem monarchischen Simson die Locken stutzt, um ihn den radikalen Philistern zu überliefern. Das seien seine letzten Worte in einer Versammlung, die auf einen Schluck eine unsinnige Verfassung hinunterwürgte und nun wie toll schrie: »Stört nicht meine Kreise«, betrunken von theoretischer Obstruktion.
    Und es kam zu nichts. Radowitz' Gesicht wurde immer länger. Der äußere Sieg war ein Pyrrhussieg. Der Reichstag wurde vertagt, in Wahrheit aufgelöst. Die Fürsten wollten nicht, die Verfassung blieb ein toter Buchstabe, ein verwehtes Kartenhaus. Die Nation verfolgte dies Redeturnier ohnehin mit Gleichgültigkeit oder Mißtrauen. Niemand trauerte ehrlich dem totgeborenen Kinde nach, obschon die Presse wütend die engherzigen Junker anklagte, die ein so hohes Werk zu Falle brachten. Als ob die numerisch so kleine »äußerste Rechte« so etwas fertiggebracht hätte! Die gegen Preußen verräterischen Fürsten, wobei der Württemberger eine schwer beleidigende Thronrede gegen Preußens Ehrgeiz nicht scheute und das »gefährliche Traumbild« eines deutschen Einheitsstaates brandmarkte, und Österreichs drohende Haltung erzwangen die Rückkehr zum alten Bundestag. Schmählich ging der Ende Februar wieder aufgenommene Krieg gegen Dänemark zu Ende, obschon Preußen und Reichstruppen unter Prittwitz genug Erfolge errangen und der vollständige Sieg von zwei Strandbatterien bei Eckernförde überdrei dänische Schlachtschiffe um so mehr Jubel erregte, als dort der Herzog Ernst von Koburg, eine Nassauer Batterie und das winzige Kontingent von Reuß-Greiz ihren Anteil hatten, also das verschiedenste »deutsche Vaterland«. Aber drohende Noten von Rußland und Frankreich regneten herein. Der Zar sah das Legitimitätsprinzip durch die »holsteinischen Rebellen« bedroht, und England zeigte im »Londoner Protokoll« aller Großstaaten seine Mißgunst. Im August überlieferte man endgültig die stammverwandten deutschen Lande an den »rechtmäßigen« dänischen Tyrannen, und das Maß deutscher Schande schien voll, als die Kreuzzeitungspartei ohne Ehre und Scham dies als Sieg des monarchischen Prinzips feierte. Doch der Kelch enthielt noch eine letzte bittere Neige.
    *

Seelensfroh, des sogenannten politischen Lebens entledigt zu sein, ergab sich Otto mit Wollust dem geschäftigen Müßiggang eines Gutsbesitzers. Er gefiel sich in der Rolle des Familienvaters, scherzte mit Melisse v. Behr, der Gesellschafterin seiner Frau, las sehr viel, von Zeitungen aber nur die »Kreuzzeitung«, und schwelgte in idyllischer Einsamkeit. Er wälzte sich im Gras, alle viere von sich gestreckt, und huldigte seiner alten Vorliebe für Verspoesie. Daneben hörte er Musik und wartete auf das Reifwerden der Kirschen. »Dies Pastorale wird sicher auf mein ferneres politisches Debüt abfärben, ich gehöre fortan zur Schule Beckerath und werde Sonnenluft aushauchen, geschwängert mit Blütenduft«, lachte er Frl. Melisse an, die ihn in einer romantischen Schäferstunde mit Hanna überraschte. »Doch was Bücher betrifft, von denen ich zu viel verschlinge, so möchte ich

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