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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wie Kalif Omar alle verbrennen – natürlich außer dem christlichen Koran. Die Buchdruckerkunst ist die Waffe des Antichristen, das Schießpulver ist schon verständiger, nur gleicht es dem Doktor, der Krebs heilte durch Amputierung des Kopfes.« Krebs aber im Staatswesen erschien ihm die Bureaukratie, deren Magen allein gesund sei, deren Exkremente in Gestalt von Gesetzen der natürlichste Dreck seien. Nicht die zu große Bevormundung durch die Beamten sei das schlimme, sondern die zu große Schlechtigkeit der Bureaukraten, Richter und Staatsanwälte inbegriffen. In dieser nonchalanten Weise verachtete der vielgetreue Schönhauser das hohe preußische Beamtentum, von dem man damals nicht mal sagen konnte: Travailler pour Ie roi de Prusse . Servil gegen die Revolution wurde es alsbald neu servil gegen die Monarchen, sobald diese ihr Übergewicht betätigten. Den Anfang machte der hessische Minister Hassenpflug, der für den elenden Tyrannen von Hessen die Verfassung brach und a tempo mit seinem Gebieter selber an die Luft gesetzt wurde. Da nun Preußen laut der Erfurter Reichsverfassung die hessische Verfassung schützen mußte, ließ es Truppen dort einrücken, Österreichaber auch mit Vollmacht des Bundestags, um besagte Verfassung noch in der Wiege umzubringen. Dieser bethlehemitische Kindermord gelang, weil die Preußen auf Befehl mutig zurückwichen. Radowitz löste mittlerweile Brandenburg als Ministerpräsident ab, und sein Rat, den Übergriffen Österreichs mit Waffengewalt entgegenzutreten, bewies entweder, wie wenig er mit Österreich liiert war oder zu sehr. Aber da beschloß plötzlich königliche Laune, ihn abzusägen, weil sein Erfurter Programm ohnehin schon durchlöchert schien.
    Otto hatte im September Johanna nach Reinfeld begleitet und von dort seinen Bruder in Külz besucht. Herr v. Derenthal, der ihn bis Köslin in ein politisches Gespräch verwickelte, fand ihn schlaftrunken und unendlich gleichgültig. »Bismarck interessiert sich für nichts als seinen türkischen Weizen, der drei Fuß über seine eigene Mannshöhe stehe«, klagte er später. In Külz versank Otto in die platteste Alltäglichkeit. Seine Schwägerin strotzte vor Fett und Gesundheit »wie ein Fäßchen voll Drillinge«, seine Nichten Elise und Jenny, sein Bruder und Moritz Blanckenburg, der sich mit Kreisgeschäften wichtig tat, die Herren v. Marwitz und Lettow unterhielten ihn mit Typhus in Kolberg. »Wilhelm Löper wird kaum wieder aufkommen, seine Frau liegt schwer darnieder, früher ein Goldfischchen mit 300 000 Talern, dem alle Welt den Hof machte. Was hilft das Geld! Wilhelm Ramin ist auf und davon, hinterläßt nichts als 200 000 Taler Schulden.« So ging die Litanei weiter. Such is life! sagt der Londoner Cockney. Er erinnerte sich des geschwätzigen Löper aus jener Postfahrt, Ramin war ein Jugendgespiele. Das Leben rennt den Durchschnittsmenschen wie Wasser durch die Finger, lauter kleine Miseren.
    Auf der Fahrt nach Berlin verwechselte man seinen Koffer mit dem eines Kösliner Juden. »Die Sorte verfolgt mich.« Geärgert suchte er Frau von Manteuffel auf und hielt ihr eine ironische Kapuzinade, wie er durch des Ministeriums liberale Maßregeln gegen die Gutsbesitzer heruntergekommen sei. Nicht mal anständige Kleider besitze er. Er schraubte die Bestürzte so lange, bis er den Kofferunfall eingestand und die Spannung sich in allgemeine Heiterkeit löste. »Ein Regierungsassessor Wunderlich, den ich auf der Treppe traf, klagte über demokratisch-französische Stimmung in den Rheinlanden«, erzählte er dem Redakteur Wagener, bei dem er speiste. »Ja, ja, die Zeit ist wunderlich!«
    Eiligst machte er sich wieder nach Schönhausen auf, um Deichgeschäften obzuliegen. Die politische Ära war für ihn hoffentlich so gut wie zu Ende. Leider sollte die Kammer Mitte November einberufen werden, »wenn nicht der große Betrüger, der eigentlich ein edler, etwas beschränkter Mensch ist, unberechenbare Änderungen macht«, schrieb er an Nanne. Der große Betrüger? Wen meinte er damit? Hoffentlich nicht den König, auf den so viel zu schimpfen er ihr untersagt hatte, weil sie ihm doch Treue geschworenhätten. In Berlin hatte er sich schrecklich gelangweilt und bei seinem Vetter Fritz Bohlen in der Ritterstraße nur über Kinderlätzchen und andere Haushaltsachen mit dessen Frau geplaudert, die ihm seine geplatzten Handschuhe nähte und seinen verwilderten Anzug in Ordnung brachte. Kleist-Retzow, Thadden und Wagener

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