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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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stach auch äußerlich von Radowitz ab, dessen regelmäßige Züge, verbindlich arrogante Manieren und entscheidender Ton durch eine Maske staatsmännischer Ruhe noch eindringlicher hervorgehoben wurden. Den Schönhauser betrachtete er als ein vorsündflutliches Megatherion von hohem Alter, noch im Ancien Régime grauer Vorzeit geboren, dessen fossilen Überrest er mit Verachtung strafte, obschon das tote Ding eklige Beißzähne vorschützte. Da hier eine Verständigung ausgeschlossen, sollte Manteuffel eine solche mit Gagern herbeiführen. Er fügte sich gehorsam dem Willen des Königs, lud den kleinen intriganten Bismarck und den großen Vertrauensmann deutscher Nation zu Tische, ließ sie dann plötzlich bei der Flasche allein. Jede persönliche Vermittelung vermied er geflissentlich, weil er das Zwecklose der Aussprache voraussah. Ohne jede Einleitung begann da Gagern zu deklamieren, wobei er nicht mal geruhte sein Gegenüber eines Blickes zu würdigen und schräg den Himmel ins Auge faßte. Außer Dienst war er eigentlich ein gutmütiges Dickerchen, eine aufgetriebene Fleischmasse, aber im Dienst der deutschen Nation nahm diese Fleischlichkeit eine geistige Aufgeblasenheit an. Da er weder klar noch geschäftsmäßig reden konnte, hielt er an den stupiden märkischen Junker eine Volksrede. Ein paar nüchterne Einwände des unbedeutenden Schönhausers verletzten seine staatsmännische Würde. Er zog die Brauen hoch, rollte die Augen zur Decke empor mit einem so furchtbaren Jupiterblick, daß sie ihm fast aus den Höhlen traten, und schüttelte sein ambrosisches Haar. Üppig langer Haarwuchs gehörte damals zum guten Ton freiheitlichen Strebens, womit der mäßig haarbegabte Otto nicht aufwarten konnte. Es war mit einem Wort eine haarige Sache. Auf eine nochmaligeReplik des dreisten Junkers einzugehen, durfte man diesem Posaunenbläser der Frankfurter Ruhmeszeit nicht zumuten. Was er maßgebend als sozusagen Interimspräsident der deutschen Völker dekretierte, hatte des kleinen Mannes unmaßgebliche Meinung demütig hinabzuschlucken. Nachdem er sein rollendes falsches Pathos ausspie, genehmigte er ein düster vornehmes Schweigen, das seiner herablassenden Geringschätzung unnachahmlichen Ausdruck verlieh. So saß man mehrere Minuten schweigend.
    Roma locuta est , der historische Togazipfel ist entfaltet. Welch ein Idiot, vor allem welch ein Dilettant, zu jeder politischen Arbeit verdorben! Otto begriff mehr denn je Napoleons Haß gegen »Ideologen«, worunter der keineswegs Idealisten verstand, da wahre Idealisten immer irgendwie Könner und Realisten sind. Ein Vertrauensmann der Nation und nicht mal ein Geschäftsmann. So macht man Politik in diesem Volk der Dichter und Denker. Der Mensch ist ja entsetzlich dumm, nichts als eine weitbauchige Gießkanne von Phrasen, ein Wassergott, um papierene Blumenbeete von Theorien zu tränken.
    Manteuffel kam wieder mit einem kurios listigen Gesicht, Heinrich v. Gagern verabschiedete sich majestätisch, ganz Jupiter, und verabreichte in mitleidiger Barmherzigkeit an den unwillkommenen Tischgast ein gnädiges Kopfnicken. »Was hat er denn gesagt?« fragte Manteuffel neugierig.
    »Jottedoch, er hielt mich für eine Volksversammlung. Er muß etwas kurzsichtig sein.«
    Nachdem er sich ausgelacht, bemerkte Manteuffel: »Wie doch das Schicksal spielt! Seinen Bruder, General Friedrich, ermordeten badische Freischärler infam, als er mit dem Unhold Hecker menschenfreundlich parlamentierte. Und den Bruder unseres Stänkers Auerswald ermordeten die Freischärler, weil sie ihn für Radowitz hielten.«
    »Schade um das Versehen!« brummte der gute Hasser in den Bart.
    »Dieser preußische General rühmte sich, er sei hundert Meilen geritten, um Bauern bei Wahlen aufzuhetzen. Das hatten sie nun davon! Beides wohlmeinende Patrioten in ihrer Weise, Erzliberale. Das Volk erkennt nicht mal seine eigenen Freunde, wenn sie Uniform tragen.«
    »Sehr wahr«, nickte Otto finster. »Bei mir zulande bin ich der richtige Volksmann und würde mich mit jedem ehrlichen Hacketauer duzen wie Vater Blücher. Doch das souveräne Volk verlangt ganz einfach einen Souverän, einen Exerziermeister. Die Armee ist das Volk, wie es leibt und lebt. Der kleine Korporal – sinnbildliche Bezeichnung!«
    »Aber für den korsischen Parvenu!« mahnte Manteuffel gewichtig.
    »Nu, wenn schon!« rief Otto ungeduldig. »Das macht wenigUnterschied. Empfehle mich, Exzellenz, werde morgen eine Rede schwingen.« Manteuffel sah

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