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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Braunschweig, sowie die Jüngste, Mathilde, ein Backfisch im Wachstum, mit einem zu starken Kopf. Sie staunte den riesigen Schönhauser an und las dann nachts »Chamissos Frauenliebe«, weil es dort so schön heißt: »Er, der herrlichste von allen.« Die Damen nannten ihn einen Charmeur, weil er liebenswürdig über Nichtiges drauflosplauderte und ihre Klavierstücke mit zweifelhaftem Vergnügen anhörte. Mit dem dritten Sohn, Leutnant der 6. Brandenburger Kürassiere, spielte er Billard, mit dem Grafen rauchte er vor dem Kamin. »Ja, ja, da hab' ich nun fünf Leutnants in der Familie, zwei Kürassiere, einen Ziethenhusaren, zwei der Fußgarde. Der eine ist gerade beim Okkupationskorps in Hessen.«
    »Dort werden wir uns furchtbar blamieren.« Als er von Carow nach Hause fuhr, regnete es unablässig, so daß er und Kammerdiener Hildebrand, der kutschierte, pudelnaß wurden. Auch windete es so, daß der leichte Korbwagen einmal, auf der Chaussee weggeschoben, stillhalten mußte. Weiß der Teufel! dachte er mürrisch, ich spüre so was von politischem Rheumatismus in den Gliedern, wir werden dies Jahr noch einen heftigen Anfall erleben. Bah, laß fahren dahin! Meine verrückte Mamsell werde ich entlassen, die schwatzt den ganzen Tag von ihrem erhabenen Bruder, Großkaufmann in Berlin, der ein großes Tier in Eisenbahndingen sei. Wohl möglich, diese Bourgeois geben heut den Ton an. Wozu die politischen Etiketten, die man auf die Flaschen klebt! Konservativ lies Agrarier, liberal lies Kapital, Demokrat lies gelehrtes und ungelehrtes Proletariat. – Nichts als Regen und Verdruß. Mit Wasserstiefeln meilenweit in Sümpfen waten, im Kahn an den Deichen herumkriechen, zu Hause sich geschlagene drei Stunden durch das grausame Stadträtchen Gärtner anklöhnen lassen! Schöner Morgentraum von Meerufer mit Fels und Lorbeer, davor eine italienische Stadt, wohl Genua, das ich so gern mit Nanne sehen möchte. – Aufweckung durch Gerichtsdiener, Vorladung als Geschworener nach Magdeburg! Man ist doch ein geplagtes Menschenvieh in diesem modernen Staat, jeder nur ein Hammel mit aufgebrannter Stempelnummer. Der demokratische Kreissekretär des Landrats, der alles in Händen hat, tat mir sicher aus Bosheit den Tort an. Bei der ganzen Couleur bin ich bête noire , soeben bringt die Kölner Zeitung eine alberne Notiz über mich als politischen Giftmischer. Wenn die Kerls doch wüßten, wie mir die ganze Politik zum Halse rauswächst!
    In hellem Zorn nach Magdeburg gefahren, um den Schwurgerichtsmonat loszuwerden, fand er bei Gerlach nicht die geringste Ermunterung, der ihn an den Gerichtspräsidenten Meier verwies. Dieser, ein getaufter Jude, sah Otto durch die Brille neugierig an und erinnerte sich an Bismarcks Landtagsrede gegen die Judenemanzipation. »Ach, bitte sich an Kriminaldirektor Fritze zu wenden.« Dieser wunderte sich über solche Ausflucht, er habe doch keine Befugnis, die Liste zu ändern. Gerlach aber zeigte sich pikiert. »Sie sperren sich gegen ein so gewichtiges Ehrenamt, zu dem sich jeder gute Staatsbürger drängen sollte. Das bißchen Unbequemlichkeit in Magdeburg –« »Das ist's ja gar nicht, sondern die Sehnsucht nach Weib und Kind.« Gerlach verbeugte sich lächelnd und schaukelte den Oberkörper verbindlich, als quittiere er höflich über eine konventionelle Redensart. Darüber geriet Otto in solchen Grimm, daß er über alberne Einrichtungen tobte. »Dann werden Sie eben vier Wochen Arrest auf Festung ziehen«, versetzte Gerlach kühl. »Übrigens, mäßigen Sie sich, alter Freund! Sind Sie mal im Zorn, so scheint Ihnen gleichgültig, gegen wen. Ich bitte Sie, mich ein wenig zu respektieren.« Auf der Heimfahrt kränkte er dann noch den Landrat v. Alvensleben, wie er sich vonseinem Sekretär am Gängelbande führen lasse. Um die Stettiner Bank zu befriedigen, von der er eine Hypothek aufnahm, schloß er einen Holzhandel ab. Das Gerücht verbreitete sich, er werde Schönhausen aufgeben, es meldeten sich schon Käufer für die Orangerie. »Wie ist denn das, Liebster?« erkundigte sich auf einem Fest im Gutshof Scharteuke, dessen kinderloser Besitzer sich in Nippes und Marmorwaren großen Luxus erlaubte, ein Herr v. Britzke, ein kleiner, kahler Kerl mit schwarzen Bartborsten. Die Herren v. Byren, Katt, Ostau klagten im Chor: »Sie wollen uns doch nicht untreu werden?« »Unsinn, dummes Gerede!« Es hat etwas Wohltuendes, daß die Landjunker unter sich wie ein besondere Clan verkehren, schottischer Stil,

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