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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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jeder ein schottischer Vetter zehnten Grades! dachte Otto, der gerade Scotts »Kloster« las. Für all die Kinkerlitzchen hier der Scharteukeschen Herrlichlichkeit gebe ich aber noch nicht den winzigen Zeigefinger meines Töchterchens.
    Der König lud ihn persönlich als »Schloßgast« nach Letzlingen zur Jagd mit Nachtquartier ein, wollte ihn also sprechen. Doch er schrieb ab. Er besuchte einen Herrn v. Levetzow, der paralytisch war und nur an zwei Kücken stehen und gar nicht mehr gehen konnte, weil dessen allgemeine Unbeliebtheit ihn anzog. Er fand den armen Teufel sehr freundlich, gutmütig und geduldig und erfuhr von seiner ungemein großen Wohltätigkeit. Da haben wir's wieder! Vox populi vox asini , nicht dei . Der Welt Urteil ist fast immer launische Falschheit. Da mag ich mich über meine eigene Unpopularität trösten, über all die Lügen, die man über mich in Umlauf setzt.
    »Sie lesen ja wohl täglich Ihre Kreuzzeitung«, sagte Levetzow. »Da steht heute das traurige Ende eines Bekannten von mir drin, Leberecht v. Borstel auf Schwarzlosen.«
    »O, den kannt' ich sehr gut. Was ist's mit ihm?«
    »Der hat sich einen Korb von einem Fräulein v. Hymmen in Bonn so zu Herzen genommen, daß er gemütskrank wurde und sich erschoß.«
    »Herr, du mein Gott! Die armen Angehörigen! Seine Tante ist die Katte auf Wilhelmstal. Er stand früher bei den Gardekürassieren und stammt vom alten Borstel der Befreiungskriege. Daß ein kerniger Mann sich so weit vergessen kann!«
    »Sie haben gut reden, Herr v. Bismarck«, erinnerte Frau v. Levetzow. »Sie sind so glücklich verheiratet und ein exemplarischer Ehemann.«
    »Die Liebe, ach die Liebe hat ihn so weit gebracht!« summte der arme Gichtbrüchige.
    »Larifari! Ein Mann hat Pflichten gegen sich selbst und gegen den Staat. Solch unmännliche Hingabe an eine Leidenschaft rührt mich nicht. Gott sei seiner Seele gnädig!« –
    Die Geschworenenpflicht war er durch Regierungsprotektion losgeworden, doch eine andere sehr unerwartete traf ihn, als ergerade in Pommern anlangte. Die Einberufungsorder der Landwehr! Am gleichen 26. Oktober, wo er von Jerichow abreiste, hatten sich Kaiser Franz Josef und Fürst Schwarzenberg in Warschau eingefunden, um den Schiedsspruch des hochmütigen russischen Despoten zu vernehmen, der in der hessischen Frage frech und roh die Parole ausgab: »Auf den ersten, der schießt, schieße ich.« Also eine intern deutsche Angelegenheit gehörte vor sein Forum, und die beiden deutschen Großstaaten hatten nicht das Ehrgefühl, ihm zu antworten: Und wir beide schießen auf Sie, wenn Sie sich unbefugterweise einmischen! So viel Anstand besaß der Hohenzoller aber doch noch, daß er nicht selber kam, sondern den Grafen Brandenburg schickte, nachdem er vergeblich seinen zarischen Schwager bestürmte, seine Unionspolitik zu billigen. In Reinfeld vernahm Otto durch Wagener das Nähere über die Warschauer Zusammenkunft, von der Brandenburg unverrichteter Sache heimkehrte. Düster erzählte Otto den pommerschen Verwandten: »Brandenburg hat im Ministerrat Bericht erstattet und sich dann aufs Krankenbett gelegt. Sein point d'honneur als Patriot und Offizier ist tödlich verwundet worden. Der Zar unterfing sich, ihn anzuschnauzen: »Ich habe meinen Schwager hierher vor mich beschieden«, worauf Brandenburg wundervoll: »Ich darf solche Worte nicht hören.« Der Zar belegte hierauf unsere Minister mit Schimpfworten, die natürlich unserem König galten. »Die Hessen sind Rebellen, die man zusammenhauen muß wie die Schleswig-Holsteiner.« Wir haben also jetzt einen allergnädigsten Oberherrn in Petersburg, der über alle deutschen Staaten mit der Knute verfügt.« Als aber alle Anwesende ihre Empörung äußerten, setzte er hinzu: »Verdenken kann ich's ihm nicht, das Treiben bei uns mußte ihn rasend machen, hoffentlich bricht sich jetzt Radowitz das Genick.«
    »Du bist und bleibst eben ein hartgesottener Reaktionär«, tadelte Vetter Albert Below spitz.
    »Na, diesseits und jenseits des Gallenbergs gibt's ja ein reaktionäres und liberales Pommern. Auf unserer Seite werden wir Radowitz's Gesundheit in Champagner trinken, zum erstenmal ihm dankbar, und ihm gute Reise wünschen.« Der Gallenberg, eine Wasserscheide, konnte freilich erregte Stimmung in Vor- und Hinterpommern erblicken, als die Kunde kam, Radowitz habe im entscheidenden Ministerrat am 2. November den Krieg gegen Österreich empfohlen, der König aber abgelehnt, und Manteuffel sei Premier

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