Bismarck 01
und Wien, hier wird Preußens künftige Politik gemacht, hier liegt die deutsche Frage. Das sollte mir passen, hier in abhängiger Stellung mich dem fremden Trubel anzubequemen, statt in Ruhe auf meiner Farm zu sitzen. Darf ich nicht auf meinen zwei eigenen Beinen stehen, so hol' der Teufel die ganze Bescherung. Mit 3000 Talern als Legationssekretär komm' ich hier ohnehin auf keinen grünen Zweig. Ein teures Nest! Ne, so haben wir nicht gewettet. Ich habe das Wort vom König und Manteuffel, und brechen sie's, dann adjes! Da will ich mich lieber als Abgeordneter in der Kammer abplacken, und als einfacher Gutsbesitzer auf meiner Scholle stehe ich mich besser. Wenn ich Preußen nützen soll, muß ich hier freie Hand haben. Ich werde an Manteuffel schreiben, daß Rochow nicht am Platze ist. Ein würdiger alter Militär, doch hat vermutlich von Diplomatie keinen Schimmer. Akten und Formalien. Damit lockt man keinen Hund vom Ofen. Ich will hier reinen Tisch machen mit den Zweideutigkeiten. Festigkeit ist die beste Politik. Mit Drehen und Wenden offenbart man nur seine Schwäche. Natürlich nicht mit der Tür ins Haus fallen.Fuchshaut überziehen, grob und liebenswürdig in holder Abwechslung. Staaten sind genau wie Menschen. Wer Menschen behandeln kann, wird auch mit den abgefeimtesten Staatsvertretern fertig. Da fällt mir ein, der alte Metternich lebt jetzt auf seinem Stammsitz Johannesberg. Den famosen Wein muß ich kosten, als Schüler den greisen Meister anschwärmen, andächtig zu seinen Füßen sitzen. Das wird guten Eindruck in Wien machen.
Über Rochow schreib' ich morgen vertraulich an Manteuffel. Man muß das Eisen schmieden, solange es warm ist. Weg muß er. Man soll ihn ja nicht brusquement fortschicken, eher seine Wünsche kajolieren. Zu guter Letzt übernahm er diese Mission, freilich ohne sich bewußt zu sein, wie schwierig sie ist, undankbar wohl nicht, dafür kommt es auf die Behandlung an. Bin ich etwa einer von denen, die mit Kritik leicht bei der Hand sind, aber kneifen, wenn es ans Handeln geht? Ich hoffe zu Gott: nein. Ich trete in diese Bresche und will sie allein verteidigen, aber auch ganz allein, da bin ich am stärksten. Wie sagt der alte Schiller? ›Der Starke ist am mächtigsten allein.‹ Ab und zu hatte der alte Schönredner doch sehr lichte Momente. Das scheint mir ein Schuß ins liberale Schwarze, ein richtiger Tellschuß. Und an das Tellwort will ich mich mein Lebtag erinnern: ›Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.‹ Ob wir die Besten sind, weiß nur Gott, aber an bösen Nachbarn ist Überfluß. Und wollen sie nicht Frieden halten, so muß geschossen werden. ›Du kennst den Schützen, suche keinen andern.‹ In Berlin werden sie mir ein Bein stellen. Besonders die liebe Presse. ›Wär ich besonnen, hieß' ich nicht der Tell.‹ Auch treffend gesagt, paßt aber schwerlich für mich. Die Kerls sollen noch inne werden, daß ich verdammt besonnen bin. Stottere ich etwa wie Percy Heißsporn? ›Sitz' ich zu Pferd, so will ich schwören, ich liebe dich unendlich.‹ Prachtvoller Shakespeare! Mit einer Zeile den ganzen Kerl. Doch nicht den, der ich bin.
Ach Hanne! Als er zu Bett ging, überfiel ihn die Sehnsucht nach Weib und Kind so arg, daß er laut schluchzte. So sind diese wunderlichen Gesellen, die Genialen. Ausschweifende Phantasie, eiskalter Verstand, eiserne Härte und weibliches Gemüt.
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»Schauen's, lieber Geheimrat, das ist hübsch, daß Sie mich zu Haus treffen!« Graf Thun empfing ihn mit viel »Empressement«, wie man damals in unserem geliebten Deutsch zu sagen pflegte. Er hatte eine etwas pomphafte Erscheinung, eine gewisse Aufgeblasenheit mit einem Stich ins Leichtlebige eines Wiener Roués. »Die Gräfin wird sich serr freuen, Sie kennen zu lernen.« Diese stattliche Dame rauschte herein und wechselte die üblichen Begrüßungsphrasen. Sie hatte ein leicht verblichenes und verkniffenes, obwohl nicht vergrämtes, Aussehen. Der böse Leumund munkelte von allzu ausgedehnten Galanterien desBotschafters, der mit Vorliebe den hübschen Gattinnen reicher Kaufleute den Hof machte. Doch geschah dies mehr zur prahlerischen Schaustellung seiner Schwerenöterei als zum eigenen Hausgebrauch. Er war so gar a lieber, herziger Kerl und Kavalier, tanzte jede Nacht durch oder spielte Macao bis zur Morgenfrühe um hohe Summen und begoß dies alles unaufhörlich mit Champagner. Das freundlich vornehme Nichtsgeplauder, das sich als Ton der
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