Bismarck 01
Sie zeigen ja viel warmes Interesse für den Bundestag, auch mit der österreichischen Gesandschaft stehen Sie gut, sind dort gerne gesehen. Freut mich. Meine loyale Anhänglichkeit an die alte Kaiserdynastie, die einstigen Lehnsherren, ist geschichtlich begründet. Sie wird das Fundament meiner Staatskunst bleiben.« Nach einer Pause, in der Otto wehmütig dachte: O weh! fuhr der Monarch fort: »Sie haben viel Mut, ohne weiteres eine Ihnen fremde Aufgabe zu übernehmen?«
»Der Mut ist eigentlich auf seiten Euer Majestät, mir ein so wichtiges Amt in die Hände zu legen.«
»Ja, seh'n Sie, der Präsident Senft v. Pilsach und General Gerlach schlugen Sie früher für ein Ministerportefeuille vor, was ich versagen mußte. Ihre hitzigen Kammergefechte sind auch nicht gerade die rechte Vorschule für Diplomatie, doch man hat mir vorgestellt, daß Ihre Unerfahrenheit sichtlich reifte. Ich brauche in Frankfurt hauptsächlich jemand, auf dessen Treue und Redlichkeit ich mich verlasse, und der gleichzeitig bei meinem hohen Verbündeten persona grata ist. Deshalb fiel meine Wahl auf Sie.« Otto verbeugte sich, erhielt aber gleich einen kalten Wasserstrahl. »Ich habe meinen Gesandten in Petersburg, den Rochow, provisorisch beim Bundestag akkrediert. Er soll Sie einführen und anlernen, ein gewiegter Diplomat, später dann auf seinen Posten beim Zaren zurückkehren. Sie und Herr v. Gruner sind als Legationsräte im Etat eingestellt. Doch, mein lieber Geheimrat, ich gewähre Ihnen die Aussicht, Rochow bald als Gesandter abzulösen.«
Otto verbeugte sich tief und verbarg ein Schmunzeln unterm Schnurrbart. Ich Geheimrat, der ich mein Lebtag auf alle Geheimräte schimpfte! Das sind mir Humore. »Eure Majestät sind ja nicht an meine Ernennung gebunden, bewähre ich mich nicht. Gewißheit, ob dies nicht meine Fähigkeit übersteigt, kann ich erst an Ort und Stelle gewinnen.«
»Sehr gut, treten Sie nur der Sache näher. Ich werde Sie so lange wie möglich aufrechthalten.«
»Untertänigsten Dank! Ich werde selber meine Abberufung beantragen, wenn's nicht geht. Ich gehorche dem Befehl, ich habe den Mut, wenn Eure Majestät den Mut des Vertrauens zu einem Anfänger haben.«
»Dann wollen wir es mit Ihnen versuchen.« –
Irgendwo im Himmel lächelte der Gott der Deutschen: Ja, wir wollen es mit Otto Bismarck versuchen.
In der Deutschen Werkstatt
»Soeben eingetroffen, mein verehrtester Herr Geheimrat v. Bismarck? Wir haben heut den 11. Mai, ein denkwürdiger Tag ... für mich, denn ob ich noch einen ferneren Mai im lieben Frankfurt sitze, das wird wohl auch von Ihnen sozusagen abhängen.« Der alte Generalleutnant Rochus v. Rochow, Botschafter in Petersburg, vertrat auf Urlaub den Posten des preußischen Bevollmächtigten zum Bundestag und lieh es sich hier wohlergehen.
»Wie meinen, Exzellenz?«
»Wir wollen uns doch nichts vormachen, mein Hochverehrtester. Unser Allergnädigster hat Sie zum ersten Legationssekretär ernannt, aber Sie zu meinem Nachfolger ausersehen. Nun, wie Gott will. Aber sind Sie sicher, daß Ihnen der Posten zusagt? Er ist etwas dornig, und Sie sind ja ganz neu in dieser Karriere. Sehen Sie sich mal um in der diplomatischen Gesellschaft: Lauter große Herren mit ellenlangen Ordensbändern.« Sein Blick streifte unwillkürlich die von Orden unbefleckte Brust des neuen Ankömmlings.
»Gestatten Exzellenz, daß ich an die Weisung Friedrich des Großen an seine Gesandten erinnere, die sich von der Opulenz anderer Diplomaten bedrückt fühlten: ›Denke Er, daß 100 000 Bajonette hinter Ihm stehen.‹ Womit ich übrigens die ökonomische Frugalität nicht billigen möchte, denn der Gesandte einer Großmacht muß auch äußerlich repräsentieren.«
»Hm, der Posten ist nicht so übel besoldet, 21 000 Reichstaler und dazu Douceur für die erste Einrichtung. Natürlich beziehe ich mehr Gehalt in Petersburg, diese Stelle ist ja auch wichtiger, dies hier ist eigentlich ein Ruheposten für verdiente Veteranen.« Der frischgebackene Legationsrat machte unwillkürlich eine leicht ablehnende Bewegung, als sei er nicht damit einverstanden. »Ach, Sie werden bald erkennen, daß hier nicht viel zu machen ist, unter uns gesagt. Sie sind noch ein jüngerer Mann, daher etwas ehrgeizig. Ich wäre wahrlich nicht abgeneigt, meinen Petersburger Posten mit Ihnen zu tauschen. Würde Ihnen das nicht passen?«
»Ich kann nur erwidern, daß ich überall hingehe, wo unser König und Herr mich hinstellt«, lautete die
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