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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Polte Gerlach redete auf Otto ein, doch der hörte nicht zu und befand sich in Traumregionen, wo er mit Hanna und dem Kleinen in Reinfeld spazierenging. Dort werden jetzt die Störche einkehren, und alles wird wohl voll weißer Blumen sein. »Lichten Sie den Anker und verlassen den heimischen Hafen, wenn die Losung an Sie ergeht!« hörte er, aus dem Traume erwachend. Wovon redete denn der gute Freund?
    »Ich bin Gottes Soldat«, erwiderte er ruhig. »Ich meine damit: wo die Vorsehung mich hinstellt, da muß ich stehen. Unser Daheim wird uns zugeschnitzt von oben her, wir selbst schnitzeln uns hier und da ein paar Späne und auch das nicht mal aus eigener Kraft. Goethe meint: jedes hohe Fühlen und Denken müsse man dankbar und demütig bloß als Geschenk von oben empfangen. Das glaub' ich auch.«
    »Prächtig! Werde das Majestät erzählen. Ich verstehe Sie immer, alter Freund.« Mit warmem Blick und Händedruck schied der alte General, der so geheimnisvoll tat, als habe er für Otto etwas in petto. Dieser schlenderte im Tiergarten umher, wo sich viel Fußgänger und Sonntagsreiter auf schon staubigen Wegen drängten und den Schatten alter Eichen suchten, obschon einzelne erstdünne Blättchen zeigten. Doch dickes Laub kam von den Buchen hervor, die Trauben der Kastanien waren im Aufbrechen, schattiges Dunkel- und hellgrün wob im Dickicht undurchdringliche Netze, dazwischen boten durchsichtige Lichtungen ein Farbenspiel von rotem Dorn, roten und weißen Johannisbeeren, weißem Obstblust über freundlichen Sträuchern. Doch den Mai in Deutschlands Seele fraßen Meltau und Frost, tiefe Nachtschatten lagerten darüber.
    Die freien Konferenzen in Dresden hatten mit so unfreiem Nachgeben Preußens geendet, daß man dort nur einen Haufen Protokolle als »schätzbares Material« für spätere etwaige Verhandlungen am Nimmermehrstag mitnahm. Der neueröffnete Bundestag stand in vollem Flor, und eine erbärmliche verächtliche Reaktion setzte ein, die sich für die früher ausgestandene Angst an der Demokratie mit tausend Schikanen rächte. Schwarzrotgold wurde überall in den Kot getreten, nachdem es so lange selbst bei den Truppen als spezielle Reichsfarbe galt. Alle Versprechen der Regierungen, alle Anstrengungen der Vaterlandsfreunde, alle Träume der Dichter und Denker, alles Reden, Fechten, Blutvergießen umsonst, » Love's labours lost !« zitierte Otto aus seinem Shakespeare und tat, als freue er sich unbändig, daß die dreijährige Tragödie mit einem Satyrspiel endete. Die Errichtung des neuen Bundestages unter völliger Obermacht Österreichs, ein Ziel, aufs innigste zu wünschen! Da dürfte man wohl Napoleons Schmerzensschrei an der Bahre des sterbenden Marschall Lannes nachstöhnen: So endet also alles!
    »Was Teufel!« Er ließ die Vossische Zeitung aus der Hand sinken, die Wagener ihm, rotangestrichen, schickte mit dem Vermerk: »Ist meist gut informiert durch liberale Hofkreise.« Da stand schwarz auf weiß: »Sicherem Vernehmen nach wird Herr v. Bismarck-Schönhausen als Gesandter zum Bundestag nach Frankfurt gehen.« Otto stutzte. Er wußte von nichts, wohl nur ein ballon d'essai.
    Allein, die Dinge nahmen greifbare Gestalt an. Minister v. Manteuffel teilte ihm mit: »Es besteht allerhöchstenorts die Absicht, Sie irgendwie diplomatisch zu verwenden.«
    »Meine Ankenntnis der aktenmäßig üblichen Formen würde mich der Blamage aussetzen. Danach spüre ich keine Sehnsucht.«
    »Man findet einen Übergang, damit Sie sich einleben können.«
    »Eine Stellung, wo ich nicht mit meiner Familie leben kann, paßt mir nicht. Die ewigen Trennungen von meiner Frau habe ich gründlich satt, sie verlieren sich sonst ins Unabsehbare.«
    Manteuffel lächelte. »Seien Sie unbesorgt! Sie würden sich mit Ihrer Frau Gemahlin einrichten können.«
    »Und wenn auch! Ich hoffte endlich, still und behaglich für mich zu leben. Es freut mich ja, daß Majestät meine Anstellung im Staatsdienste wünscht, aber –«
    »Ist denn das nicht ein Erfolg für die gute Sache? Ein Pfand für Ihre Partei?«
    »Das allerdings. Nun ich stehe in Gottes Hand und dränge mich zu nichts.«
    »Rund heraus, wollen Sie als Bundesgesandter einspringen?« Eine Kette von Gedanken rollte sich blitzschnell in dem hohen breiten Schädel ab, dann sagte Otto einfach: »Ja!« –
    Der König empfing ihn freundlich, doch mit einer gewissen Zurückhaltung. »Ich verfolge stets Ihre parlamentarische Laufbahn und gratuliere Ihnen zum neuerlichen Ordnungsruf.

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