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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gar nichts weiß.«
    Der junge Graf lächelte verlegen. »Man weiß, daß Ew. Exzellenz immer ein besonderer Feind der Presse waren.«
    »Ich bitte ihr vieles ab, denn wenigstens kann sie schimpfen. Nicht mal das bringen die Leute hier fertig, sie können nicht einen Tag lang wenigstens ehrlich ihr Gift verspritzen. Das wäre noch Wahrheit, aber dafür beziehen sie nicht ihre Gehälter. In fünf Jahren werden sie so wenig zustande bringen wie heut, und doch könnt' ich's an einem Tage machen. Da ist nichts zuwollen, mein Lieber, man muß mit den Wölfen heulen. Ach, wenn sie doch nur einmal laut und ehrlich heulen wollten, denn es plagt sie doch der Heißhunger, irgendwo einen fetten Bissen zu erschnappen, irgendein Seperatvorteilchen. Aber sie verbeißen sich jeden lauten Ton und belauern sich mit unhörbarem Knurren.«
    Der junge Graf lächelte fein. »Verzeihen Exzellenz, aber wenn Wölfe gar nichts zu fressen bekommen, dann, sagt man, fallen sie sich untereinander an.«
    » Tiens ! Sehr gut gefolgert!« Bismarck sah den Jüngling wohlgefällig an. »Darin steckt mehr als Sie ahnen. Wissen Sie was, ich werde Sie zu meinem Vertrauten ernennen, zum Großsiegelbewahrer meiner tiefsten Geheimnisse. Ich habe nämlich keine. Doch um Gottes willen verraten Sie das nicht! Es wäre um mich geschehen, ich käme um Ehr' und Reputation. Denn jeder von uns hat seinen diplomatischen Fahneneid geleistet, sowohl er als die anderen verbergen erschütternde Entwürfe. Das gehört zum Metier, verstehen Sie, zum Standesbewußtsein, 's ist so 'ne konventionelle Fiktion.«
    »Aber es ist doch unmöglich, daß man hier nicht tieferen Einblick –«
    »Worin? In den Stadtklatsch der beau monde ? Der kleinste Frankfurter Koofmich weiß so viel von hoher Politik wie wir, und Amsel Rothschild weiß es vermutlich besser. Ach, der ungläubigste Thomas unter nörgelnden Demokraten ahnt noch nicht den Umfang unserer Unwissenheit und Ohnmacht. Meine selige Frau Mutter wollte mich immer zum Diplomaten machen. Es ist erreicht, ich salutiere in Gedanken,« er tat es mit der Geste, »und melde gehorsamst: ich habe die Ehre.«
    Diese eruptive Offenheit betäubte zwar den jungen Lynar, aber bezauberte ihn, er empfand sofort hohe Anhänglichkeit für diesen polternden Nicht-Diplomaten. Das wußte Otto mit seiner rein instinktiven Menschenkenntnis sehr wohl, sonst hätte er sich nicht so aufgeknöpft.
    An der Table d'hote exzellenzte ihn schon jeder, was er wohlgefällig als Vorschuß und Abschlagszahlung einstrich, obwohl es ihm sonst Spaß machte, unter lauter Exzellenzen die einzig fühlende Brust zu sein. »Sehen Sie,« belehrte er den jungen Lynar nachher bei der Zigarre, »so sind nämlich die Menschen, und deshalb liegt ein tiefer Sinn darin, daß der Staat Titel verleiht. Geschähe es immer an die Würdigen, wär' es geradeso gerecht wie der wirkliche Geburtsadel. Denn glauben Sie mir, Cäsar und Sokrates in eigener Person könnten das Blaue vom Himmel herunterholen, solange sie simpel Herr Cäsar und Herr Sokrates heißen, fragt keine Katz danach. Aber der Feldmarschall Cäsar und der Wirkliche Geheime Hofrat Sokrates reden auf einmal lauter Evangelien. Der Wirkliche Geheimrat Witz, wie der boshafte Bengel Heine es nannte, kichert aber darin,daß der liberale Philister auf Rang und Titel und Hofgunst schimpft und doch dabei nicht ein Jota anders denkt als das kriechendste Hofgesinde. Eine Spielart davon ist auch der Professorenkultus, den wir hier in der Paulskirche unheiligen Angedenkens bewundern durften. Spricht Sokrates, so fragt der Zuhörer: wo ist er Professor? Hat er auch alle Examina gemacht? Was, nirgends? Er lehrt frei aus sich selbst heraus und weiß deshalb mehr als alle staatlich geeichten Rhetoren? So was erzählen Sie andern, ich hochgebüldeter teutscher Philister glaube nur an den Professor Ordinarius. Und der weiß natürlich alles, denn wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand. O, ich sehe schon die Zeit kommen, wo die Herren Physiker Vorlesungen über Literatur halten und Bücher über metaphysische Nicht-Metaphysik verzapfen oder wo Mediziner die Staatswissenschaft chirurgisch und therapeutisch behandeln unterm johlenden Beifall der guten Deutschen.«
    »Exzellenz haben eine sehr schlechte Meinung von den Menschen«, erlaubte sich Lynar zu bemerken.
    »Man muß die Menschen verbrauchen, wie sie sind«, brach der Eruptive plötzlich kalt und trocken ab. »Wissen Sie was, ich lade Sie zu einem Spaziergang ein, wir

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