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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Engländer«, hatte Lady Cowley ihn vorgestellt. Diese Sprache schien jedoch der Herzogin weniger geläufig, man reist doch nicht auf den Kontinent, um Englisch zu hören. Ha, Preußen war abgeblitzt, beinahe geschnitten! Sämtliche Federn der Gesandtschaftskanzleien werden sich morgen rühren. Ein welterschütterndes Ereignis hoher Politik!
    Uff, das tut gut. Vom Ball heimgekehrt, setzte er sich in das kleine Gärtchen des Hauses, wo er wohnte, und hörte einem Amselschlag zu. Ob wohl die Meinen jetzt gesund schlafen? Dies Heimweh macht mich wieder zum Menschen, mich auf Pappe geklebte Aktenrolle. Schmerz ist noch das einzig Wesenhafte in dieser leeren Welt.
    *

Der Juni kam, Rochow war wieder da, nicht aber kam Ottos Ernennung. Er vertrieb sich die Zeit mit Staatsbesuchen,in Darmstadt bei einer preußischen Nebenprinzessin, in Bieberich beim Herzog von Nassau, an dessen Schloß er einst mit Nanne vorüberfuhr. Es gab bei Tafel die ersten frischen Heringe, die ersten Erd- und Himbeeren.
    »Compliments of the season!« meinte der Herzog. »Die Briten haben doch für alles die feinsten Ausdrücke. So anmutig wird Deutsch nie. Heut ist übrigens der Jahrestag, wo meine glorreichen Truppen in Belgien landeten, um unter dem erhebe mein Glas zum Andenken an den unsterblichen Feldgroßen Wellington die Schlacht bei Waterloo zu schlagen. Ich Zeile fehlt im Druck. Re. herrn und meine brave Armee!«
    Kein Wort von Blücher und Preußen! Jeder kleine Gernegroß unter den Kleinstaaten prahlt heute noch, wie er unter Marlborough oder Napoleon in fremden Diensten zu Englands und Frankreichs Erfolgen beitrug. Der Herzog erkundigte sich dann, ob die Thun noch immer brav sei und sich zweideutige Redensarten vom Halse halte, wie sie in der Frankfurter guten Gesellschaft bevorzugt würden. Otto bejahte mit Wärme, und der Fürst nickte befriedigt, denn deutsche Landesväter halten auf gute Sitten, die Landgrafen von Hessen (»Kabale und Liebe«) waren doch meist Seltenheiten. Sodann fragte er, ob der Herr Geheime Legationsrat zur Denkmalseinweihung für gefallene preußische Husaren und Dragoner (Badischer Aufstand) nach Philippstal fahre. »Ihr junger Prinz Friedrich Karl soll sich da große Meriten erworben haben. Ja, es fehlt dem erlauchten Herrscherhause der Hohenzollern nie an militärischen Köpfen. Auch wir Oranier hatten ja Moritz den Großen.« Da es Otto nicht unbekannt war, daß auch die Weimarer einen Bernhard den Großen für sich hatten, so überraschte ihn nicht diese historische Separaterhöhung. Da ja der eigenartige, bedeutende und wohlmeinende erste Ludwig von Bayern jetzt auch schon bei seinen Untertanen der Große hieß, so hatte Deutschland eine Mustergalerie von »Größen« zur Auswahl. »Kennen Sie den preußischen Geschäftsträger in Karlsruhe, Herrn Charles v. Savigny?«
    »Zu Befehl, Hoheit. Ein Jugendfreund.«
    »Sehen Sie mal an! So treffen sich die Söhne aus guten Häusern doch alle im Leben wieder, weil das Talent sich Bahn bricht. Für Militär und Diplomatie darf immer nur der Adel dienen, weil diesem die nötigen Talente innewohnen.« Diese feierlichen Platitüden sprach der hohe Herr mit vieler Selbstverständlichkeit aus, doch Otto dachte unwillkürlich, wo Charles Savigny wäre, wenn sein Vater nicht Minister und Hofmann war. Auch schmunzelte er bei der Erinnerung über das naive Staunen von Freund Savigny, daß ein Referendar a. D. ohne jede Vorbildung es bis zum Gesandten bringen könne. Abderitentum ohne Ende! –
    Einige Zeit darauf aß er ein üppigeres Diner, wonebendie herzogliche Tafel sehr abfiel, beim alten Amsel Rothschild, der ihn innig empfing: »Haben Se mir sagen lassen, Herr Baron, Se würden kommen, wenn Se noch lebten. Ich denk', mich soll treffen der Schlag. Allen Leuten hab' ich's erßählt: Was soll er nich leben, was soll er sterben, der Mann! Is er doch jung und stark. Was sollen da erst fürchten wir alten Leute!«
    »Ich meine nur, Herr Baron, wir stehen in Gottes Hand. Sie hatten die Güte, mich schon vor zehn Tagen einzuladen. Das ist eine lange Zeit, rasch tritt der Tod den Menschen an.«
    »Gott, is das scheen gesagt von unserm Goethe! Gott soll mich strafen, wenn ich nicht habe gemacht ein traifes Geschäft schon oft in zehn Tagen oder fünf. Und das Geschäft, Herr Baron, is so ernst wie der Tod.«
    Unser täglich Brot gib uns heute! Die Tafel strotzte von Silber zentnerschwer, von goldenen Gabeln, von den edelsten Weinen, von Treibhaustrauben und Pfirsichen. Dazu

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