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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Voltaire, sich freuten: Unsere Unsterblichkeit ist, den Menschen Wohltaten zu erweisen. Glauben Sie, der allmächtige,große Gott schaut nicht mit mehr Wohlgefallen auf solche sogenannte Atheisten, als auf pharisäische Heuchler vom Schlage unserer kirchentreuen Kollegen in Frankfurt? Doch das sind Abschweifungen.« Bismarck hatte das echtdeutsche Stil- und Redelaster, daß der unendliche Strom seiner Gedanken ihn zu Parenthesen zwang. Die französische clarté ist nichts als die französische Seichtigkeit. »Nun wohl, Bonaparte hörte geduldig zu und sagte kein Wort. Auf einmal hob er die Augen gen Himmel und fragte, die Sterne anschauend, darunter seinen Stern: ›Meine Herren, wer schuf dies alles?‹ Stand auf und verschwand. Warum? Weil der Aberwitz des Mechanismus und Atheismus seinem Genius blitzartig vor Augen lag. Das war eine Austerlitzschlacht. Auf Debatten läßt sich ein solcher Mann nicht ein, er könnte ja donnern ohne Ende und weiß doch mit dem Heiland: Wenn sie meinem Worte nicht glauben, so würden sie auch nicht glauben, wenn Moses und die Propheten von den Toten auferständen. Gewiß, die Herren Moleschott, Büchner, Vogt würden das für optische Täuschung erklären. Und merken Sie sich zum Schlusse eins, junger Mann, jeder glaubt, was ihm genehm ist. Ein allgerechter erhabener Gott in diesem unendlichen Sternenhimmel paßt kleinen Seelen nicht mit ihrem menschlich-kindlichen Größenwahn, den sie für Wissenschaft halten.« Und ohne jeden Übergang setzte er mit veränderter Stimme hinzu nach kurzer Pause: »Bitte, sorgen Sie dafür, daß Assessor Rudloff die Notizen über das Preßbureau handlich sammelt, das ist wichtig.«
    Lynar sagte Gutenacht, zum Schweigen gebracht. Otto saß noch lange auf dem Balkon. Vor ihm lag Vater Rhein in ganzer Herrlichkeit, fern sang die Lorelei. Die verschimmelte Romantik. Aber die Kaiserpfalz bei Godesberg ist Wirklichkeit: Einst gab es ein Deutsches Reich.
    Über dem Niederwald stand im Mondlicht ein breiter Schatten von mächtigen Umrissen wie eine verhüllte Bildsäule. War es Mutter Germania? Aus ferner Jugendzeit klang unhörbares Echo vom alten Turnerlied: Ich hab' mich ergeben mit Herz und mit Hand, dir Land voll Lieb' und Leben, mein deutsches Vaterland. Woher die Vaterlandsliebe mit unerbittlichem Zwang? Der kategorische Imperativ.
    Drunten aber im Rhein schwamm ein singender Nachen vorüber. Ist der Deutsche glücklich, wird er sentimental. Ein fröhliches Liebespaar, das eine Mondnacht durchkosten wollte, versicherte sich in frischem Wechselsang, es wisse nicht, warum es so traurig sei. Ich glaube, die Wellen verschlingen am Ende noch Schiffer und Kahn ...
    Und der Mann auf dem Balkon war einsam und allein, und der Himmel gab kein Zeichen.
    *

»Über meinen Chef möchte ich mich schriftlich nicht äußern«, schrieb Otto an den Kreuzzeitungs-Wagener. Auch beschwerte er sich in Briefen an Manteuffel, Herr v. Rochow lasse ihn absichtlich im Dunkel über laufende Geschäfte, weihe ihn nicht in die Aktengeheimnisse ein und beraube so seinen diplomatischen Säugling der zukömmlichen Nahrung. Das Verhältnis wurde gespannt, und die Verstimmung wuchs. Er beschuldigte Rochow in geheimen Kurierbriefen nach Berlin des Mangels an Initiative, an der Festigkeit, mit dem passiven Widerstand Österreichs zu ringen, der täglich deutlicher werde. (Und doch handelte es sich bisher nur um Kleinigkeiten). Daß Rochow nicht besonders erbaut schien, als Vorgesetzter einen jüngeren Untergebenen als bestimmten Nachfolger neben sich zu haben, konnte man ihm eigentlich nicht verdenken. Otto sah überall Mißgunst und äußerte zu Lynar: »General v. Rochow erinnert mich an seinen Ahnen, der als Kürassieroberst gegen den Kornett Seydlitz so viel Malice geübt haben soll, weil der nicht Order parierte. Und wurde nachher doch ein ganz brauchbarer Reitergeneral. Nun will ich mich gewiß nicht mit einem Seydlitz vergleichen, aber ich hoffe, der Mißachtung meines Chefs noch zu zeigen, daß aus solchem Holz zwar keine Reitergenerale geschnitzt werden, aber ganz erträgliche Geschäftsträger.«
    »Ich hoffe, Eure Exzellenz noch als einen diplomatischen Sieger von Zorndorf zu begrüßen,« salutierte Lynar, »aber sollten Sie Herrn v. Rochow nicht am Ende doch unrecht tun? Ich halte ihn für einen Gentleman.«
    »Ach was! Er molestiert mich.« Die nervöse Reizbarkeit des Geheimrats v. Bismarck hatte nicht viel von geheimrätlicher Würde. Und des Pudels Kern wäre das

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