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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Bekenntnis gewesen: er steht mir im Wege. Nur mit dem Unterschied, daß der gewöhnliche Amtsstreber, wie er bis in die höchsten Sphären herumläuft, sich nie auf das eine berufen kann, was die Selbstsucht jedes Genialen nicht nur entschuldigt, sondern ihr zu einem heiligen Recht verhilft: »mir« im Wege heißt hier soviel als »meinem Werk« im Wege. Selbstverständlich darf man hier noch Moral heucheln und es empörend finden, wenn der Korse alles, was nicht glatt unter den Händen nachgeben wollte, nämlich Krawatten, Westen, Stiefeln, Königreiche, Völker in Stücke riß, weil es gotteslästerlich seinem Vizekönigtum des Schicksals widerstrebte. Friedrich der Große war nicht minder ungeduldig und unbändig in seinem Zorn, Cromwell brauchte unflätige Schimpfworte, Beethoven wurde sacksiedegrob, wenn man seine Arbeit störte. Das nervöse Temperament der Genialen bleibt sich immer gleich, Michelangelo war auch kein angenehmer Mitbürger.
    Aber eine andere Lehre hätte Bismarck jetzt ziehen können. Weltkenntnis erwirbt man, selten Menschenkenntnis, denn dazu müßte man Menschen sehr genau und lange beobachten können und wer hat dazu Zeit! Als endlich Anfang Juli die definitiveErnennung des Legationssekretärs zum Gesandten eintraf, während Rochow auf den unliebsamen Posten in Petersburg zurückkehren mußte, schrieb der alte General an den Minister Manteuffel in den ehrendsten Ausdrücken über seinen Nachfolger, den er scharf beobachtet hatte. Gleich darauf bekam er Gelegenheit, fest bei der Stange zu bleiben und seine großmütige Unbefangenheit zu betätigen.
    »Am 11. reisen Seine Königliche Hoheit der Prinz von Preußen hier durch nach Mainz«, eröffnete er seinem schmollenden Legationsrat oder vielmehr Nachfolger, »Höchstderselbe kehrt von der Großen Industrieausstellung aus London zurück. Indem ich Ihnen herzlich gratuliere, bitte ich mir zugleich die Ehre aus, Sie am Bahnhof zur Begrüßung des hohen Herrn bei ihm einzuführen. Nach Ihrem offiziellen Amtsantritt werden Sie ja auch eine bedeutende Titulatur führen. Wenn Ihr lieber Vater, der als Offizier unter mir diente, das noch erlebt hättet Als Knabe sah ich Sie im Elternhause. Was nicht aus einem Menschen werden kann!«
    Sogar eine Exzellenz! dachte Otto belustigt.
    Als der Prinz aus dem Extrazug stieg, begrüßte er zwar Otto: »Lieber Rochow, nach Ihrem Aussehen muß die Gesandtentafel gut bestellt sein. Ei, da ragt ja Herr v. Bismarck über alle hervor!« freundlich, wie bei den früheren Beziehungen nicht anders zu erwarten war, doch etwas flüchtig und sogar reserviert. Der neue Gesandte bemerkte mit Schmerz daß er nicht mehr in besonderer Gunst stand. Er wußte warum. Der ehrenhafte, männliche Fürst verzieh keinem, der die »Schmach von Olmütz« beschönigt hatte. Seine soldatische Ehre fühlte sich geohrfeigt durch die Demütigung Preußens, in seinem Herzen verzieh er es Österreich nie. Mit lebhaftem Unmut hatte er Bismarcks Eintreten für Manteuffels Schwäche, wie er es auffaßte, als unerträglich empfunden. Und wenn er dann wieder sich mit dieser Entgleisung aussöhnte oder vornehm darüber hinwegsah, so hatten andere seiner Umgebung und die von nicht unerklärlicher Abneigung gegen den »Ultra« erfüllte Prinzessin den Stachel tiefer eingegraben. Als er daher mit Rochow ins Hotel fuhr, fragte er mit einer gewissen Schärfe, indem er sich aus dem Schlag des wappengeschmückten Wagens lehnte und nach der vom Perron sich entfernenden Gruppe zurückblickte:
    »Und wird dieser Landwehrleutnant wirklich unser Bundestagsgesandter?« Mit dieser militärischen Rangbezeichnung wollte er den Abstand erkennbar machen, der einen Generalleutnant wie Rochow an Ansehen und Rang, wie dem Vertreter einer Großmacht angemessen, von solchem Neuling trennte.
    Daß dieser keine feinere diplomatische Toilette machte, als sich den Landwehrrock anzuziehen, die einsame Rettungsmedaille auf der Brust, vermerkte er zwar beifällig. Doch die rein soldatische Auffassung der Dinge, die man ihm fälschlich zuschrieb, färbtekeineswegs bei ihm auf andere Staatsverhältnisse ab, die er alle mit gleicher Gründlichkeit und Pflichttreue sich zu eigen machte. Man begreift, daß er bei Lebzeiten seines Bruders vor dessen schillernder, glänzender Geistesfülle in den Hintergrund trat. Denn es muß immer wieder jedem Verdammungsurteil die Klausel beigefügt werden, daß der unglückliche König in seiner Weise ein ungewöhnlicher und bedeutender Wunsch

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