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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gewesen ist, auch an ursprünglicher wohlwollender Güte unendlich vielen überlegen, die sich ihm gegenüber als »Charakter« spreizten. Dagegen begreift man nicht oder vielmehr begreift die lächerliche Seichtigkeit der öffentlichen Meinung nicht nur, sondern der Menschenbeurteilung überhaupt, daß niemand im Prinzen Wilhelm die Anlage zur höchsten Herrschertugend entdeckte, niemand in diesem nachdenklichen, ernsten Manne einen denkenden Staatsmann ahnte, ganz und gar nicht bloß in die Uniform eingezwängt, einen hoch über jedem Durchschnitt Außerordentlichen, dem nur die wilde Initiative des Genies fehlte, und dessen ehrenhafter Mut durch übermäßige Gemütsweichheit geschwächt wurde, welche seine Verkenner und Verleumder in ihm am wenigsten witterten. Dieser stramme, straffe, furchtlose Soldat haßte jede Gewalttätigkeit, an einem Kriege sah er zuerst die Opfer, und wenn sein hohes Ehrgefühl ihm die schwächliche Nachgiebigkeit seines Bruders verbot und er frechen Feinden unerschrocken die Stirn bot, so litt sein lauterer, im schönsten Maße vornehmer Sinn doch an Bedenklichkeiten über Recht und Unrecht, vor Gott strengste Verantwortlichkeit auf sich nehmend, bei aller Würde voll großer Demut. Seine fast krankhafte Bescheidenheit erbte er vom Vater (sein Bruder schlug nach der überschätzten ästhetelnden Mutter), dem vielverkannten, der bei einiger Schwäche und Beschränktheit doch einen hervorragenden trockenen Verstand und eine sehr vornehme Gesinnung in sich zur Ausbildung brachte, sich durch verständnisvolles Gewährenlassen von Scharnhorst, Stein, Gneisenau, Blücher Verdienst erwarb. Dieser sein Sohn stand freilich sehr viel höher in Geist und Willensartung und war, um es deutsch zu sagen, in seiner Weise ein großer Mann.
    Doch wir tappen alle im Nebel. Denn ausschließliche Selbstsucht – das, was uns alle bändigt, das Gemeine – bestimmt nicht nur unsere Handlungen, sondern auch unsere Urteile. Wie kann da ruhige, unbefangene Beobachtung und Würdigung erwartet werden! Als die zwei Schicksalsmänner sich gegenüberstanden, zerriß da ein Blitz vor ihnen den Nebel, und sahen sie sich als Doppelstatuen Hand in Hand für alle Zeiten vor den Augen der Nation? Weit gefehlt! Sie fühlten sich »zueinander hingezogen«, wie die Sprache es mit einem Anflug ins Telepathische ausdrückt, und selbst das nicht mit deutlicher Bezwingung. Otto dachte, der Prinz sei ein braver, tüchtiger Gentleman, und der Prinz spöttelte: »Dieser Landwehrleutnant!«
    Da erwiderte der General mit fester Stimme:»Jawohl, Königliche Hoheit, und die Wahl ist gut nach meiner unmaßgeblichen Meinung, Herr v. Bismarck ist frisch, stark und wird sicher jedem Anspruch gerecht werden, den ein Patriot an ihn stellen kann.«
    »So!« Der Prinz sah nachdenklich vor sich hin. »Ich hatte ja stets die beste Meinung von diesem Manne, doch in letzter Zeit – er war immer ein guter Preuße, doch da –. Übrigens, tanzt er so viel, das verträgt sich nach meinen Begriffen nicht mit einem Staatsmann.«
    »Das kann hier nicht auffallen, Hoheit, denn hier tanzt alles, je älter, desto toller.«
    Der Prinz lächelte bitter. »Fängt das wieder an? Ich erinnere mich aus meiner Jugend, der Wiener Kongreß – Sie kennen ja wohl das Bonmot des Fürsten de Ligne: ›Der Kongreß marschiert nicht, er tanzt.‹ Sie kennen Wohl auch den französischen Spruch: ›Auf einem Vulkane tanzen.‹ In diesen ernsten Zeiten!«
    »Hoheit irren sehr, wenn ich mir untertänigst eine Vorstellung gestatten darf, falls Sie Herrn v. Bismarck den nötigen Ernst nicht zutrauen. Entschiedenheit des Willens, Dekorum in der Haltung, jedoch Freundlichkeit im gesellschaftlichen Verkehr, Klugheit beim Reden, eine reife Kenntnis der Menschennatur mit der Gabe, Vertrauen zu erwecken – diese hier für Preußens Rechte nötigen Eigenschaften besitzt der ausgezeichnete Mann, den die Weisheit Seiner Majestät erkor.«
    Der Prinz dachte vielleicht, der alte Hofmann rede nach dem Munde, um sich beim König beliebt zu machen, denn er zuckte leicht die Achseln: »Sie sind ein warmer Fürsprech, lieber Rochow, man muß das ehren. Aber der Mann ist doch zu jung und ohne jede Erfahrung im Dienst.«
    »Das schleift sich ab, auch ist die Raschheit, mit der sich der Legationsrat in die Geschäfte einlebte, ganz überraschend. Wenn er graue Haare hätte, würde er vielleicht nicht jene Eigenschaften damit vereinen, die ich mir vorhin hervorzuheben erlaubte.«
    »Das hat

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