Bismarck 01
Tagen. Die Armee allein kann Preußens Bestimmung erfüllen.«
»Bravo! Und da tun Reformen not. Auf Wiedersehn, mein Lieber! Wir sprechen noch mal darüber. Und nicht zu österreichisch, Herr v. Bismarck!« Er drohte leicht mit dem Finger. »Der König, mein Bruder, ist darin anderer Meinung. Nun,ich will mich nicht in Ihre diplomatischen Geheimnisse drängen. Leben Sie Wohl, ich bleibe Ihnen gewogen.« Der so gnädig Entlassene seufzte. Zu österreichisch – zu russisch – jetzt fehlt nur, daß ich zu französisch bin! Ich tröste mich damit, daß man nicht zu deutsch sein kann. –
Wenn die Briefe von Nanne zu lange ausblieben, hatte er sich zu Geschäften unbrauchbar gefühlt. Seine Mitarbeiter, die ihn nicht kannten, wunderten sich über so viel Gemütsnervosität bei diesem eisern aussehenden Manne. Der ihm als Mitarbeiter anfangs beigestellte Geheime Legationsrat Grüner war mit Rochow verschwunden, dafür ein Assessor Rudloff eingetroffen, dem später ein Legationsrat Zittelmann folgte. Lauter fremde und unbedeutende Leute, zu denen er sich nicht aussprechen konnte. Zwar hatte er sich ausdrücklich vom König die Erlaubnis geben lassen, daß er eine Art Neben-Akkreditierung bei den süddeutschen Höfen erhalte, damit er diese zu politischen Zwecken kennen lerne. Doch er klagte zu Kleist-Retzow, den er in Koblenz aufsuchte: »Diese langweiligen Fürstlichkeiten zu sondieren, mich über das Terrain orientieren, ist keine angenehme Studienreise.« Der neue Oberpräsident machte dazu große Äugen, für den kleinen Streber war ein Besuch bei hohen Herrschaften ein Staatsakt von unermeßlicher Weihe. Seine Gemahlin Charlotte Stolberg hielt es für Pflicht einer christlichen Frau, ihrem Herrn und Meister in allem gefügig zu sein, alttestamentarisch, und der kleine Patriarch bildete sich zum Haustyrannen aus. Wühlen in den Akten war ihm ein höchstes Behagen, wie ein Maulwurf fraß er sich durch alle Bagatellen durch, natürlich immer bewehrt mit dem Saugrüssel seiner schnüffelnden Reaktionswut. Otto dachte sich im Stillen, daß diese forcierte Beamtenstrenge mal ein übles Ende nehmen könne, gerade im liberalen Rheinland. Auch versprach er sich nichts Gutes davon, daß der Prinz von Preußen und seine hohe Gemahlin oft in Nähe dieses tantigen und grantigen Oberpräsidenten hausen würden, der sich in seiner Allmachtswürde bis an die Zähne bewaffnete wie die drüben herüberdrohende Feste Ehrenbreitstein. Für seinen inneren Frost, der ihn in der Frankfurter Welt erkältete, konnte er sich beim grauen Haus auch keine Wärme holen. Selbst die christliche Bibelfestigkeit nahm hier streberhafte Mienen an. Als Otto klagte, er müsse aus dienstlichen Gründen immer Sonntags reisen, statt in die Kirche zu gehen, so werde er auch nächstens Seiner Majestät entgegenreisen, wenn der König nach Burg Stolzenfels komme, zog Kleist die Stirn in Falten und belehrte ihn: »Man soll dem Herrn dienen, doch auch dem irdischen Herrn, denn solcher ist von Gott. Nützlichkeit und Notwendigkeit des königlichen Dienstes gehen allem vor, darin wird unser gnädiger Vater im Himmel ein Einsehen haben.« Seine Frau verzog zwar ihren ernsten Mund, da sie als Pietistin dies heterodox fand, aber wagte nicht gegen ein Gebot des hohen Patriarchen sich aufzulehnen. Otto schied mit unbehaglichem Gefühl,als ob Onkel Hans auch mal für ihn eine verbrauchte Größe der Vergangenheit sein werde.
Seine freundliche Stimmung für den alten Rothschild, welche dieser auf harte Probe stellte, verflog auch. Otto hatte den Prinzen Wilhelm zum Gesandtschaftsdiner eingeladen, doch später am Tage lief Einladung Rothschilds ein, worauf der Prinz lachend erwiderte: »Mit dem Geld muß man sich gut halten, mir ist's gleich, mit wem ich diniere, doch ich muß mit unserem Gesandten konferieren.« Spornstreichs erschien der Geldprinz persönlich bei Bismarck: »Se müssen mer den hohen Herrn abtreten, Herr Beraun, Exzellenz, und Se selber kommen dann mit zu mein bescheidenes Dinerchen.« »Leider muß ich refüsieren.« »Wie heißt! Gibt mer der bedaitende Mann 'nen Refüs vor ein Diner bei Rothschild. Da lecken sich de seinen Herren sonst de Finger danach. Aber wissen Se was, ich will mer bescheiden damit, zu schicken Speis und Trank in Ihr hohes Haus. Gott gerechter, was kann da sein! Das Diner is parat und muß gegessen werden. Ich selber bin dabei nix nutz, weil ich nur esse koschere Ware, also essen Se mein Diner ohne meine werte Person!« Otto
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