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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Ich werde ihn nachdenken lehren, mit wem er's zu tun hat. Seine Prätensionen, seine affektiert und studiert verächtlichen Manieren werd' ich ihmaustreiben. Preußen willigte in Wiederaufleben des Bundestags nur unter der Bedingung, daß die reformierte Organisation uns volle Gleichheit gewährleistet. Für seinen Kontraktbruch wird Österreich Konventionalstrafe zahlen ... bei der Zollunion.«
    *

Das große Verbrechen war heraus. Der österreichische Gesandte schob einigen seiner Satelliten, die er Kollegen nannte, einen Pack deutscher Zeitungen hin. »Ein sicherer Herr v. Bismarck ihst niemalen etwas Feineres als Auskultator gewesen, schreibt die Poostahmtszeitung, serr ein erleuchtetes Organ. Und da lesen's bloß die Voossische und Spenersche Zeitung! Da nennen's den Herrn Kollega einen ›diplomatischen Säuglihng‹ und da steht's im schönsten Daitsch: ›Der Burscheh wärre unverschämt genug, eine Fregatte oder aihneh chirurgischhe Opperationn zu kommandierehn, wenn man ihn darum bähteh‹ 'S ihst halt a Kreuz mit so jungen Leuten. Übbrigehns ihst err auch gar nit Baron, wie man ihn tituliert, sondehrn ein simpler Edelmann.« Graf Thun wienerte mit slavischem Akzent wie immer, wenn er ärgerliche Stimmung zum Ausdruck brachte. Die liebenswürdige Beihilfe der Berliner Presse, nicht ohne mittelbare Beeinflussung von österreichischer Seite, in solcher Empfehlung ihres Landsmannes beim Bundestag genügte am Ende nicht zum Unterminieren eines so handfesten stämmigen Kerls, der breitbeinig auf seinem Posten stand. Etwas Unglaubliches war geschehen gleich in der ersten Sitzung, an der dieser neue Gesandte teilnahm. Im Kreis der deutschen Mächte rauchte nur Österreich als Präsidium. Der alte Rochow hätte es gern getan, doch wagte es nicht, die Kleinstaaten mußten sich natürlich aus Ehrfurcht das Rauchen verbeißen. Kaum überschaute Otto diese eingebürgerte Rangabstufung, als er eine lange und fette Zigarre hervorzog und Österreich um Feuer bat. Halb gelähmt vor Verblüffung reichte Thun ihm das Gewünschte, worauf Preußen auf Leben und Tod zu paffen anfing, dabei mit ruhiger Stimme, als wäre nichts geschehen, eine Bagatellsache besprechend, wie sie das übliche Tagewerk des hohen Bundestags bestimmte. Still und betreten verlief die Tagung, Österreich und Preußen rauchten sich ins Gesicht und die Kleinstaaten schmachteten nach dem Land, wo der Pfeffer wächst, dieser Tobak war ihnen zu stark.
    Kaum schloß die Sitzung, als sich die Federn aller Gesandten zu einem pro memoria spitzten, das nach Aberschrift und Leitmotiv immer den gleichen Sinn hatte: Preußens Übergriffe werden bedrohlich, es will uns eine Zigarre anzünden, d. h. ein Licht aufstecken oder auch Rauch und blauen Dunst vormachen, um eine Überhebung zu verschleiern. Werden nicht rechtzeitig Maßregeln ergriffen, so wird Preußen noch mit einer Meerschaumpfeife das ganze Bundespalais vollqualmen. Die submisse Anfrage gehe dahin, ob die Kleinstaaten nicht auch Raucher seindürften. Tief und ernst waren die Beratungen, die an den Höfen über Preußens Zigarre angestellt wurden. Doch man konnte nicht rasch zu einem Schlusse kommen. Als der Übeltäter bei späterer Gelegenheit den Bayrischen Gesandten Schrenck auf der Straße um ein Streichholz bat, erkannte dieser darin eine diplomatische Anspielung: Der Brandstifter forderte Bayern zur Mittäterschaft auf! Schrenck berichtete umgehend nach Hause, daß Not am Manne sei und daß Bayern auch rauchen müsse, um seine Würde zu wahren. Er werde sich opfern und ein Vorbild geben.
    Fürs erste rauchten die beiden Großmächte allein. Thun, sehr konsterniert, wurde jedoch zusehends verbindlicher gegen einen Menschen, der sich nichts gefallen ließ und der, wenn man ihn reizte, auch zahme Bundesmitglieder mit anstecken konnte. Denn sein zugleich festes und liebenswürdiges Auftreten machte Eindruck und gewann ihm eine Partei, die zu Preußen neigte, dessen zigarrenrauchende Nichtachtung für Österreichs Majestät eine neuerwachte Stärke und Gefährlichkeit zu verraten schien.
    » Ciel! Wie ergreifend!« Der erste Attaché der österreichischen Gesandtschaft, Baron Nell v. Nellenburg, führte mit elegischer Grazie sein duftendes Taschentuch zum Auge. Die Tränen kamen ihm wirklich. Man gab einen alten Ladenhüter des göttlichen Kotzebue, wo sich die Tugend erbricht, bis das Laster Appetit bekommt und sich zu Tisch setzt. Der Baron hatte viel Haare gelassen und trug eine Perücke, dafür

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