Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
sich.
    O, du mein Österreich! dachte Otto, als er nach Hause fuhr. Die Ästheten der Bleidächer Venedigs, der Zuchthaushöllen von Spielberg und Olmütz! Das sitzt auf den Trümmern von Karthago oder Capua und liest Lenau. »Der deutsche Byron!« Als ob man eine Nachtigall mit einem Adler vergliche. Ich mußte den wilden Mann machen, denn Ästhetik mit koaserlichen Kavalieren, das überleb' ich nicht. Aber wie gut sie über Italien beschlagen waren! Dieser Brenner soll seine Hand im Spiel gehabt haben bei neuen Repressivmaßregeln in Mailand. Unter der Maske zutraulicher Nonchalance lauter schlaue Faiseure. Sie öffnen einem meilenweit das goldene Weaner Herz, so was sehe ich auch sehr gern, aber nicht so dick wattiert. Die italienischen Angelegenheiten verdienen ernste Beachtung, sie nehmen das gleiche Tempo wie bei uns. Einheit vermittels Revolution mißlingt, vermittels monarchischen Staatsgedankens geht's vielleicht. Militärisch ist Österreich zu stark seit Radetzky, doch wer weiß, ob nicht Italien Anschluß an Frankreich findet! Diese Fremdherrschaft ist auf die Dauer undenkbar. Und was ist Österreichs Stellung in Deutschland? Auch Fremdherrschaft. Was ist denn Graf Thun als ein Tscheche? Schande über Schande, daß solcher Mund in deutschen Dingen das große Wort führt.
    Er stieg aus seiner Equipage aus und wanderte einige Zeit im Mondschein herum. Wie kurze Spanne Zeit verfloß, seit er den ganzen Tag in Plenarsitzungen der Kammer sich abplagte und erst nachts sich Bewegung machen konnte, zwischen Opernhaus und Brandenburger Tor, Unter den Linden lustwandelnd! Hier konnte er sich frei ergehen, soviel er wollte, doch die seelische Freiheit fehlte. Nur in der Heimat wohnt das Glück. Selbst die Feindseligkeit politischer Gegner hat dort ein vertrautes landsmannschaftliches Gepräge, hier ödet mich alles fremd an. Glitzerndes Eis, drinnen Kälte, darunter Tücke, wenn man einbricht. Dies Frankfurt, wo man von deutscher Einheit zuerst gepredigt, ist heute eine gut österreichische Vasallenstadt.
    *

Endlich waren Frau und Kinder da. Er hatte eine reizende Wohnung, Gallusgasse, Bockenheimer Chaussee 40, im Gartenviertel weit draußen gemietet, und Nanne begann sich häuslich einzurichten. »Ach, wie teuer hier alles ist!« klagte sie. »Und sie geben uns nicht genug für die Ausstattung. 3000 Taler haben sie dir auch vom Gehalte abgeknapst. Freilich, 1000 Taler bleibt eine schöne Menge Geld. Müssen wir wirklich repräsentieren? Ich habe solche Angst.«
    »Keine Bange, du wirst dich schon rausreißen. Ich kennedoch mein tapferes Niedchen. Französisch parlierst du schon wie ein Wasserfall. Halte dich gut mit England, das ist eine gutartige Frau, und an Österreich ist auch die Frau das beste. Sie wird dir nicht sonderlich gefallen, die Gräfin ist eine Weltdame, aber anständig, gutweiblich und fromm.«
    »Ja, als Katholische. Und wie steht es hier mit den reformierten Kirchen?« Otto vertiefte sich ernsthaft in dies unergründliche Thema. Mit Behagen fühlte er sich bald heimisch in den neuen vier Pfählen.
    »Respekt vor unserer Villa! Sie hatte erlauchte Bewohner, zuerst Rothschild von Neapel, jüngere Linie der Dynastie, sodann den Reichsverweser Erzherzog Hansl. Ich fühle mich schon ganz reichsverweserlich, nur möcht' ich dies Deutsche Reich nicht haben um alle Rothschildschätze.«
    »Was für prächtige Blumen! Bis zur Freitreppe hinauf! Ein Kamelienflor sondergleichen. Ich glaube, an 1000 Stück.«
    »Ach, du weißt, daß ich Kamelien nicht mag, diese protzigen Dinger. Ausländischer Import, großgezogen auf deutschem Boden! Veilchen wären mir lieber. Ne, Kinder, hier ist Freistatt, Villa Libera. Hier soll jeder treiben, was er will, Wirt und Gäste. Die Empfangszimmer auf der Vorderseite, da stören sie uns nicht in der Häuslichkeit. Arme Nanne, wir müssen ein großes Haus machen, da hilft kein Zittern vorm Frost.«
    Eine so gute Hausfrau verbreitete allgemeine Bequemlichkeit. Ein gelbtapeziertes Zimmer diente ihm als Studio, und nach jeder Mahlzeit versammelte sich die Familie um ein grünes Sofa mit einer Doppellampe. Das war seine Erholungsstunde, im übrigen hatte er es streng mit tausend Kleinigkeiten des Dienstes.
    »Du scheinst aber schon eine sehr geachtete, sichere Stellung einzunehmen«, schloß Johanna befriedigt aus dem Verlauf ihrer Rundvisiten und dem Ton, mit dem ihr Gatte behandelt wurde.
    »So, so. Man mußte sich's erkämpfen.« Es war noch nicht lange her, daß der

Weitere Kostenlose Bücher