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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Fuß? Ich dachte, das wäre die Eigentümlichkeit anderer Staaten.« Thun zuckte bei der boshaften Mahnung an Österreichs stets latenten und immer wieder geflickten Staatsbankerott. »Welche Lotterie denn?«
    »Halt die, wo man Kanonen einsetzt. Der Siebenjährige Krieg, der sogenannte Befreiungskrieg, wie die Preußen es nennen.«
    »Gewannen wir da das große Los? Die Lotteriekollekteure beim Wiener Kongreß verschwiegen uns das, haben sie die große Gewinnummer unterschlagen, auf die wir Anspruch hatten? Nun, wenn Ihre Ideen, mein lieber Graf, von Ihrem Kabinett geteilt werden, so sehe ich ein Hasardspiel mit hohen Einsätzen voraus. Preußen wird dann wohl noch mal die erwähnte Lotterie versuchen müssen, und ob wir dann nur Nieten ziehen, steht bei Gott. Ich empfehle mich, Exzellenz, meinen Handkuß an die Frau Gräfin.«
    Thun schäumte vor Wut: »Ein überaus gefährlicher Mensch.« Seinen Clique-Kollegen schilderte er den langen Preußen dagegen als »harmlosen Polterer«. Er wußte nur zu gut, daß Österreich allen Grund hatte, es auf ernsten Bruch mit Preußen nicht ankommen zu lassen und nur durch Bluffen ein zweites Olmütz erzwingen wollte. Beim diplomatischen Poker verliert aber nicht, wer seine Karten fest in der Hand hält und sein Gegenüber durch und durch schaut.
    Dieser unheimliche Anfänger lebte sich auch schon ganz in die »Geschäfte« ein. Seine Feder stand niemals still, unablässig zeichnete er Menschen und Dinge in Depeschen nach Berlin, nicht die kleinste Einzelheit entging ihm, kein Detektiv und Zeitungskorrespondent pürschte je eifriger nach »Indizien« und »Informationen«. Er hatte seine Augen überall, auch auf Dinge, die ihn nichts angingen, wie später den Kirchenstreit in Baden, wobei er sehr antipäpstliche Grundsätze verfocht, oder die Spielhöllen, deren Aufhebung er später durchsetzte. Die radikale Presse der freien Reichsstadt bekam seinen Arm zu fühlen, als ein Blatt das schwarz-rot-goldene Banner auf dem Bundespalais mit einem Jungfernkranz über einem Bordell verglich. Der Vizepräsident Otto v. Bismarck tat dem Senat von Frankfurt kund und zu wissen, daß er solchen Schimpf nicht auf dem Bundestag sitzenlasse, und der sonst sehr steifnackige Magistrat unterdrückte unterwürfig diese Zeitung. Sein eignes »Preußisches Preßbureau« in Frankfurt leistete freilich auch Erkleckliches in Untergrabung des österreichischen Ansehens, während das Österreichische geheime Preßbureau die Lorbeeren des preußischen nicht schlafen ließen und es seine Fäden bis Berlin spann, sich zu Majestätsbeleidigungen verstieg.
    Im Dezember bekam man als Weihnachtsbescherung einen Donnerschlag aus heiterm Himmel, den Staatsstreich Louis Napoleons. Man lief ihm mit der betäubenden Nachricht die Türe ein.
    »Dieser Massenmörder ist der größte politische Verbrecher«, entrüstete sich Herr v. Schele. Doch der Mecklenburger Junker Oertzen schüttelte den Kopf:
    »Mir ist der Mann sympathisch. Der hat mal die Parlamentsschwätzer gründlich geknebelt. Jammerschade, daß wir im Norden die Hände in den Schoß legen, während der Giftpilz wächst und wächst.«
    »Sie als der enragierteste Stadtvertilger sollten sich eigentlich freuen,« meinte v. Scherff halbironisch, »daß man die Straßen des ewig unruhigen Paris mit Bürgerblut tränkte.«
    Otto sagte lange kein Wort, dann meinte er bedächtig: »Nun ja, ich schätze den Mut des kühnen Prinzen.« (Auf einmal hieß er Prinz, früher Abenteurer. Hätte er übrigens damals schon geahnt, wie wenig Mut zu diesem Loslassen einer bestochenen Soldateska auf Wehrlose gehörte, würde er sich wohl sein Lob verkniffen haben.) »Doch ich bin nur das Mundstück meines Herrn, des Königs, und darf keine Stellung nehmen, ehe ich nicht dessen Intentionen kenne. Jedenfalls hat das Ereignis weitere Folgen. Wenn der Prinz-Präsident sich zum Staatsoberhaupt auf fünfzehn Jahre ernennen ließ, so wird er dabei nicht stehenbleiben.«
    »Sie meinen, er will die Traditionen der Dynastie Bonaparte auffrischen?«
    »So ungefähr. Ich wünschte, wir wären mit Österreich im reinen, so oder so, Freund oder Feind. Diese Politik der Nadelstiche führt zu nichts als zu neuer unheilbarer Spaltung.«
    »Sechsunddreißig Staaten, groß und klein, lassen sich eben nicht unter einen Hut bringen«, seufzte Schele.
    »Von denen vierunddreißig fünfzehn Stimmen zusammen haben und Preußen nur eine«, betonte Bismarck bedeutungsvoll. »Ich sage offen, meine

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