Bismarck 01
kleinen Hände rieb: »Meine persönliche Mediation brachte dies Friedenswerk zustande, nicht durch meine eigene schwache Stimme, sondern als schwaches Echo der Stimme des Zaren.«
»Jedes Tierchen hat sein Pläsierchen«, brummte Otto in den Bart und widersprach nicht, als er diese Fopperei hörte. »Der wird's weit bringen, ein echtes diplomatisches Talent ... von der älteren Schule. Herrgott, wie diese Schlauberger sich einbilden, mit ihren vorgeschützten Staatskünsten etwas auszurichten! Die Dinge bleiben unverrückt die gleichen, die Kausalität geht ihren Gang, und die Logik der natürlichen Verhältnisse wird durch keine künstliche Einmischung geändert.«
Er setzte seine offiziellen Besuche bei den Nachbarhöfen fort und wählte besonders Darmstadt als Feld für Charakterstudien. Die dort regierende Dame empfand dies als aufdringlich und äußerte einmal im vertrauten Zirkel, von wo es Bismarck natürlich erfuhr: »Er ist immer hier und benimmt sich, als wäre er ein so großer Herr wie der Großherzog selber.« Äußerlich ließ sie natürlich nicht blicken, daß er ihr lästig falle, wie der gehaßte Preuße stets dem beargwöhnten und selbst so mißtrauischen alten Rheinbundstaat auf den Leib rückte.
»Ihre Frau Gemahlin hat einen so guten Blick«, beehrte ihn die Großherzogin Mathilde von Hessen auf einem Staatsdiner in Darmstadt, Frau Johanna zu loben. Diese saß ganz stattlich in blauweißem Atlaskleid und ließ ihre sonore Stimme ertönen, da der harthörige Erbprinz und der stocktaube Premierminister ein lautes Reden benötigten. Zwischen Hessen und Preußenwaren also gute Beziehungen angebahnt. Otto, sehr empfänglich für jedes seiner Frau gespendete Lob, berechnete indessen doch im stillen: Drei Regimenter guter Truppen, berühmt unter Napoleon, Kurhessen, Baden, Württemberg jedes ebensoviel, Nassau zwei macht ungefähr zwei Korps, dazu das bayerische. Stehen Hannover und Thüringen zu uns, könnten wir rasch die Sache deichseln, gestützt auf Mainz, ehe ein k.k. Hilfskorps am Bodensee erscheint. Man kann nie wissen, wie der Hase läuft. Wir müssen die Zollunion durchsetzen, koste es, was es wolle. Da sitzen wir jetzt schon zehn Monate hier, und die Einheit ist nicht um eine Stunde näher gerückt.
Das stimmte nicht ganz. Man tat einen ersten, breiten Schritt vorwärts, indem er beim Bundestag den Vorschlag Preußens zur Zollunion mächtig förderte. In dieser Angelegenheit wurde er oft nach Berlin befohlen und saß nur zu oft auf der Bahn, um mit Wehmut bei Bockenheim das stille Licht seines Hauses und die letzte Taunusspitze hinter sich aus dem Gesichtskreis zu verlieren. In Berlin entdeckte er, daß er jetzt ein leidlich großes Tier sei, vom König verzogen, vom Hofe umschmeichelt, von der Presse beschimpft. Mit kühler Gelassenheit bedachte er, daß dies nur ein Schützenfest sei, wo der Schützenkönig mit Talmi-Goldblech stolziert, um morgen in der Versenkung zu verschwinden, daß seine Stellung lediglich von Gunst und Gnade des Königs abhänge. Der Premierminister Manteuffel, der sich, Gott weiß warum, den Spitznamen Fra Diavolo erwarb, hielt sich fest im Sattel, und die Reaktion tobte sich immer noch aus.
Im April gab es einen neuen Coup d'Etat , aber nicht vom Präsidenten Louis ausgedacht, der mit Macht auf die Kaiserkrone lossteuerte, sondern vom Weltpräsidenten Tod. Der allmächtige Minister Schwarzenberg starb. Als Otto dem englischen Gesandten die Kunde brachte, drückte sich dieser auf Französisch trocken aus: »Im Grunde ein Glück!« Als das diplomatische Korps sich zu einer Trauermesse für den hohen Verblichenen versammelte, schloß sich Otto kühl aus: »Das ist wirklich zu viel verlangt.«
In der dänischen Sache nichts Neues, sie ging den gewohnten Krebsgang. Das sogenannte Londoner Protokoll hatte als eine Art pragmatischer Sanktion die Erbfolge in den Erbherzogtümern geregelt. Doch da Österreich und Preußen selbstherrlich allein den Vertrag schlossen, verwarf ihn der erboste Bundestag, der mit Fug sein Anrecht geschmälert sah, in deutschen Dingen mit am Beratungstisch zu sitzen. So war de jure nichts entschieden, praktisch aber machte Dänemark sich das Abkommen zunutze, um eine Deutschenhetze, besonders in Schleswig, zu inszenieren. Preußen sah ruhig zu, der König betrachtete mit den Augen seines großmächtigen Herrn und Schwagers Nikolaus die deutschen Brüder als Rebellen, und damit erreichte Österreich den Zweck,Preußen erneut in Deutschland
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