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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Spiegel, ob sie auch die ganze Kunst ihrer Würde bewahren.«
    *

Jemand schien sehr aufmerksam auf ihn geworden. Schon zum drittenmal lud ihn der greise Metternich nach Johannesberg ein, und Otto folgte noch vor Johannas Ankunft dem ehrenvollen Rufe. Der einstige Schiedsrichter Europas empfing ihn mit der Zierlichkeit eines petit maître des Ancien Regime und der Geschwätzigkeit eines Greises, der sich freut, einen verständigen Zuhörer zu erwischen. Er begann mit den ältesten Zeiten vor der Revolution, seine Anekdoten schweiften bis 1788 zurück und sprangen auf 1848 über, zwischendurch verschmähte er als gewiegter Causeur, der Abwechslung liebt, auch nicht Weinbau und Forstkultur. Ottos Zerstreutheit, der schwermütig an Nanne und die mehrfach kranken Kinder dachte, nahm er für hingenommene Stille ehrfurchtsvollen Zuhörens, wie dies ja auch anderen Redseligen zustößt. Er setzte voraus, der junge Politiker müsse begeistert auf Orakel des Meisters lauschen, so wie der große Humboldt viel von Otto hielt, weil dieser ihn endlos reden ließ und dabei wertvolle Aufschlüsse herausholte.
    »Revolutionen sind wie Erdbeben, sie haben ihre Zeit sich auszurasen, kehren auch sporadisch wieder, zerstören allerlei, doch sind sie vorüber, ist's als wäre es nie gewesen, sie hinterlassen keine Spur. Wie anders das Gottesgnadenrecht der Souveräne! Es wandelt hoch über allen, unantastbar, unwandelbar wie die Planeten in unverrückter Bahn. Selbst die Kometen stören nicht, wir sahen ja einen solchen losgelassen, den heillosen Bonaparte. Verpufft in alle Winde!«
    »Und Euer Durchlaucht, sein politischer Besieger, thronennoch hier in der Fülle Ihres Ruhmes.« Ottos Stimme ließ nicht den leisesten Anflug von Ironie spüren.
    Der alte Mephisto verneigte sich dankend und nahm eine Prise aus einer Emailledose. »Sie tun mir zu viel Allein-Ehre an, mein Hochverehrter. Wir Staatsmänner der Koalition arbeiteten Hand in Hand. Da war der Kanzler Nesselrode für Rußland, der treffliche Talleyrand für Frankreich, Lord Castlerough für England und der Herzog v. Wellington, dessen gesunde Einsicht ich auf dem Wiener Kongreß bewundern lernte.« Weil er Preußen den Daumen aufs Auge drückte. Und Stein schweigt er natürlich tot, der gilt ihm nichts in seiner doppelten Eigenschaft als Preuße und Reformer. »Kannten Sie Cobenzl? Ach nein, das war vor Ihrer Zeit. Ein tüchtiger Staatsmann von der besten alten Schule.«
    »Ich erinnere mich nur,« bemerkte Otto trocken, »daß der General Bonaparte ihm eine Vase vor die Füße warf. Darf ich mir die Frage erlauben, ob die Fama recht hat, der Kaiser Napoleon habe in Dresden Euer Durchlaucht seinen Hut an den Kopf geworfen?«
    »Wie beliebt? Kaiser? Kenn' ich nicht: Bonaparte war sehr explosiv«, erwiderte Metternich etwas ärgerlich. »Über meine letzte Zusammenkunft mit dem korsischen Parvenü sind allerlei Fabeln in Umlauf gesetzt. Er warf seinen Hut in die Zimmerecke, und ich hob ihn nicht auf, voilà tout . Ich verweigerte ihm einfach die submissen Formen, die man sonst gegen ein gekröntes Haupt beobachtet. Das war ich meinem Charakter schuldig!« Otto unterdrückte ein Lächeln. So sprach ein Mensch, dem der Schlachtendonnerer nicht ohne Grund den Hohn, wenn nicht den Hut, ins Gesicht warf: Was zahlte Ihnen England? Ein Mensch, der zehn Jahre lang als Botschafter in Paris oder Premierminister zu Füßen des Gewaltigen kroch. O Menschheit! Der alte Geck hier hat wirklich Napoleon gegenübergestanden, hätte den historischen Hut mit Händen greifen können, und von dieser weltgeschichtlichen Begebenheit trägt seine Erinnerung eine solche Ausbeute heim! »Bonaparte ist sehr überschätzt worden. Er war im Grunde eine gewöhnliche Wachtstubennatur ohne jede Feinheit. Seine ganze Staatskunst war die Gewalt mit Blut und Eisen, zartere Fäden diplomatischer Kombinationen blieben ihm versagt. Mon dieu , der deutsche Napoleonkultus überspannter Schwärmer! Kannten Sie Gentz? Pardon, auch vor Ihrer Zeit. Dieser echtdeutsche Mann ließ sich nie vom Korsen blenden, er schrieb Dolche.« Die Zeile zu soundso viel Gulden. Napoleon hätte ihn jederzeit kaufen können, wenn er gewollt hätte. »Dagegen der begabte Heine... wer hätte das geahnt, als er so vielversprechend anhob! Sein erster Gedichtband, so liebenswürdig romantisch und weltschmerzdüster, kam nie von meinem Toilettentisch. Leider hab' ich den Band weggeschenkt an einen jungen Briten Noel, Neffen des Lord Byron, der inder

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