Bismarck 01
vorstellen darf. Nulla dies sine linea! Kein Tag ohne Quatsch!«
General Gerlach lachte verlegen. »Ihr gerechter Abscheu reißt Sie oft hin. Gestern mit Vincke – wir sind ja einig über seine Ungeschliffenheit gegen die Regierung und sein Ausfall gegen Sie war ruppig, aber –«
»Aber? Er wirft mir von der Tribüne Mangel an diplomatischer Diskretion vor, meine einzige bisherige Leistung sei eine brennende Zigarre. Sie wissen, ich hab' es Ihnen jetzt erzählt, der Vorfall mit Thun. Das hatt' ich ihm auf sein ausdrückliches Drängen nach allerlei spaßhaftem Klatsch unter vier Augen erzählt als etwas höchst Unwichtiges. Mich däucht, meine Antwort war sehr berechtigt: Vincke besitze statt der diplomatischen nicht mal die gewöhnliche Diskretion, wie man sie unter Männern von Ehre und Erziehung erwarte.«
»Ja, Sie hatten das Recht dazu,« meinte Gerlach bedenklich, »indessen wird dies doch wohl Folgen haben.«
»Nun, ich habe meinen Schwager Oskar Arnim und EBernhard Stolberg beauftragt, als Zeugen etwaige Eröffnungen Vinckes entgegenzunehmen.«
»Nun und?«
»Er hat mich durch v. Saucken-Julienfelde auf viermaligen Kugelwechsel gefordert. Oskars Vorschlag auf Säbel wurde abgelehnt.«
»Menschenskind, das sagen Sie mir erst jetzt! Und die Sache soll steigen?«
»Morgen früh. Daß ich mich stellen muß, dafür gibt es keinen Ausweg. Heut' abend halt' ich mit Superintendent Büchsel eine Betstunde ab, der natürlich abmahnte. Doch Sie werden begreifen, es muß sein.«
Gerlach stöhnte. »Ich kann Ihnen nicht raten, abzusehen. Doch es ist furchtbar, daß ein Mann, der dem Vaterlande nützlich dient, durch eine tückische Zufallskugel weggerafft werden kann. Das ist ein schweres Verhängnis. Ich werde für Sie beten.« –
Im Waldplatz am Tegeler Seeufer sangen die Vöglein ein Morgenlied, daß alles wohlbestellt und ihr Nest gesegnet sei. Gewaltsam unterdrückte Otto das Bild Johannas, um nicht von Angst um seine Lieben entmannt zu werden. Durch sein Unbewußtes ging ein Gebet: Ewiger, gerechter Gott, wenn mein Leben dem Vaterlande nützen kann, dann halte deine Hand über mich.
Der »Unparteiische«, ein Herr v. Bodelschwingh, trat auf: »Meine Herren, ehe wir beginnen, habe ich zu diesem Ehrenhandel zu bemerken, daß die Forderung den Umständen nach zu harte Konditionen hat. Ich schlage Ermäßigung vor, einmaligen Kugelwechsel.« Nach kurzer Beratung erklärte der Zeuge v. Saucken:
»Wir gehen darauf ein«, und flüsterte mit Graf Stolberg. Dieser nahm Otto beiseite: »Die Gegenpartei läßt Ihnen sagen, man wolle die Affäre beilegen, falls Sie zugeben, Ihre zu schroffe Äußerung tue Ihnen leid.«
»Das wäre eine bewußte Unwahrheit, und die begehe ich nicht. Vincke verdiente die Lektion.«
Beide Schüsse krachten. Otto fühlte sich unverletzt, und als der Dampf sich verzog, stand auch Vincke aufrecht da. Allgemeine Freude, Bodelschwingh vergoß sogar Tränen der Rührung. »Zwei so hochverdiente Männer! Gottlob, alles ist aus, der Ehre Genüge geschehen.« Alles schüttelte sich die Hände. Einen Augenblick hatte Otto überlegt, ob er auf Vincke schießen solle. Als er aber schoß und fehlte, ärgerte er sich und schob die Schuld auf die Pistolen. »Gott verzeihe mir die Todsünde,« bekannte er nachher seiner Schwester, »ich hätte den Kampf gern fortgesetzt. Doch jetzt bei ruhigem Blut preise ich Gottes Fügung. Zu guter Letzt ist Vincke zwar ein rabiater Parteimann, aber persönlich anständig, wenn nicht sein Jähzorn mit ihm durchgeht.« –
Eine neue Dienstreise Anfang Juli verlängerte diesmal die Trennung von Frau und Kindern ins Unbestimmte, da der König ihm einen kleinen Abstecher nach Wien aufnötigte.
»Mein bester Bismarck, ich meine es sehr gut mit Ihnen. Sie müssen auf die hohe Schule, um Ihr diplomatisches Reifezeugnis zu erlangen. Mein Botschafter in Wien, Graf Arnim-Warbelow, ist schwer erkrankt, ich beschloß, Sie erst in Vertretung und dann als Nachfolger nach Wien zu senden. Wie? Ich lese auf Ihrem Gesicht gerade keine übergroße Freude.«
Otto verneigte sich. »Ich gehe überall hin, wohin mein König mich stellt. Doch ich fürchte, ich bin in Wien nicht gut angeschrieben, Thun hat mich gewiß tüchtig verklatscht, und man hält mich schon lange nicht mehr für einen ergebenen Diener Österreichs.«
Der König runzelte die Stirn. »Ich will nicht hoffen – Sie sind mein Diener, soviel ich weiß. Aber Sie hegen doch sicher keine Animosität gegen diesen von
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