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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mir so hochverehrten Staat?«
    »Wie sollte ich! Ich wache nur eifersüchtig in meiner geringenSphäre über Preußens Behandlung im Bundestag, und ist das Österreich nicht lieb, so kann ich's nicht ändern.«
    »Sie sehen zu schwarz, mein Lieber. Wir werden ja prüfen, wie es sich zum Handelsvertrag stellt. Hier übergebe ich Ihnen ein Einführungsschreiben unterm 5. Juni 1852 an den Kaiser. Lesen Sie es durch!«
    Das Schreiben, obwohl mit einigen Floskeln des Kurialstils belastet und für Ottos Geschmack zu warm, »das Glück Ihres Beifalls«, »Ihre so wichtige und mächtige Freundschaft« betonend, trug den glatten und eindrucksvollen Stil des Königs, dessen Begabung selbst in solchen höfischen Episteln durchschimmerte. »Die Anwesenheit des teuren herrlichen Kaisers Nikolaus ist mir eine wahre Herzstärkung gewesen.« Der Zar hatte sich jüngst herbeigelassen, in Berlin zu erscheinen und dort seine Gnadensonne leuchten zu lassen. Das mußte einen gewissen Druck auf Österreich üben. Dies und die folgenden Anspielungen auf »unsere dreifache Eintracht« (Dreieinigkeit der heiligen Allianz) wären Otto jedoch willkommener gewesen, wenn der König es mit preußischen Hintergedanken und nicht aus vollem Herzen als Gemütspolitik betrieben hätte. Andererseits scheute der König nicht vor dem scharfen Ausdruck zurück: »was die rheinbundschwangeren Mittelstaaten mit Entzücken die Differenzen Österreichs und Preußens nennen.« Der Zusatz, daß Herr v. Bismarck-Schönhausen, »mein Freund und treuer Diener«, dies Treiben »mit scharfem und richtigem Blick betrachtete«, konnte Otto nur schmeicheln.
    Der König fuhr fort: »Der Kaiser steht mir nahe seit den fabelhaften Tagen von Tegernsee, wo wir uns kennen lernten. Ich verspreche mir viel von Ihrer Mission. Erläutern Sie mein Betragen wegen der Zollunion und zerstreuen Sie jeden Argwohn. Und wenn Österreich in einen Handelsvertrag mit uns eintreten will, um so besser.«
    »Verzeihen Majestät, ich zweifle gar nicht daran, daß es Zolleinigkeit mit uns erstrebt. Aber man wird sich anstellen, als ob dies nur besondere Freundlichkeit und herablassendes Entgegenkommen sei. Man wird dafür politische Konzessionen ergattern wollen, und dafür sind wir doch nicht zu haben.«
    »Nein, nein, da bleiben Sie nur fest. Sie treffen ein seltsames Ministerium, ich nenne es das ›einsilbige‹ mit einem schnöden Doppelsinn.« Der König konnte sich einen Witz nicht verbeißen. Die kurzen Namen Bach, Brück, Buol luden dazu ein, während sich sonst die Einsilbigkeit der pomphaften Herren darauf beschränkte, eine hochmütige Reserve herauszubeißen. Diese Minister waren meist bürgerlicher Herkunft, und spielten gerade deshalb den hochnäsigen Kavalier. »Die Herren sind in der hohen Aristokratie recht unbeliebt. Man erzählt da einen bösen Skandal, wie Graf Hardegg einen dieser regierenden Staatslenker aus seinem Salon hinauswarf mit Injurien, die kein Mann von Ehre sich gefallen ließe. Nun, das erleichtert vielleicht Ihre Aufgabeirgendwie, ich überlasse das Ihnen. Nur vor allem meinen guten Willen hervorkehren, meine innige Anhänglichkeit an das alte, glorreiche Kaiserhaus, das jedem Deutschen teuer bleiben muß.«
    *

Die Reise nach Wien verlief damals nicht viel anders als heut, nur länger. Die gleichen anregenden Landschaftsbilder, besonders bei Prag und Znaym, die gleichen Klagen über unbequeme Waggons, obschon heut nicht mehr Ottos Zornruf zutrifft: »Die erste Klasse kaum besser als unsere dritte.« Am kahlen Nordbahnhof empfing ihn die Schlacht- und Mahlsteuer, sie trat in ehrfurchtsvolle Ferne zurück, als der Diplomatenpaß zum Vorschein kam: »Kiess' die Hand, mach' mein Kompliment.« Als er in die Stadt einfuhr, drängten sich ihm die Erinnerungen auf, wie er mit Nanne hier bummelte, damals ein geschäftsfreier Unbekannter. Diese Bilder ließen ihn während seines ganzen Aufenthalts nicht mehr los. Wie viel älter war er geworden! Heut ein angehender Großer, wie die Welt es nennt – möchte er tauschen mit damals? Weiß doch net. Jede Zeit und jedes Milieu hat besonderen Nachteil und besonderen Vorteil. Im allgemeinen wird der Mann von seinem Ehrgeiz beherrscht, sagen wir zynisch von seiner Eitelkeit, sagen wir ebenso richtig vom Erfolg seiner Arbeit. Vom Erfolg? Das sind eben die ordinären Weltlinge, die Minderwertigen. Für die Höheren ist die Arbeit selbst, ob mit oder ohne Erfolg, das A und O. Vielleicht hat Mutter selig doch recht gehabt, und

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