Bismarck 01
dies wäre die beste Arbeit für mich. Heut? Gewiß nicht. Dies ist nur geschäftiger Müßiggang, denn mit aller Pflichttreue und Arbeitsamkeit bleib' ich fünftes Rad am Wagen. Ein Gesandter ist nur ein Gepäckträger. Für später den Boden sondieren, als vielgereister Odysseus die Fremde studieren, das hat wohl Wert. Aber ob je das »später« kommt, steht nur in Gottes Hand.
Der kranke Graf Arnim lag im Bett, bezeugte aber ein unmutiges Erstaunen, daß er die Akten ausliefern solle. So rasch »substituiert« zu werden, paßt keinem Gesandten. »Ich finde dies Arrangement etwas ungewöhnlich, um so mehr als hier ja gar nichts zu tun ist.«
»Das hat des Königs Majestät zu beurteilen«, rügte Otto gemessen.
»Der ich mich gern unterwerfe«, versicherte Arnim eilfertig.
Der Legationssekretär Baron Werthern bemeisterte nicht seine Verstimmung, daß er nicht interimistisch Geschäftsträger wurde, und bat um Urlaub, was Bismarck trocken bewilligte. Einen unlustigen Mitarbeiter zu haben, schien ihm kein Hochgenuß. Es fiel ihm ein, daß der hannoversche Gesandte Graf Platen, Berliner Angedenkens, ihm ja die offizielle Einführung bei denMinistern und in die diplomatische Gesellschaft, wie es der gute Ton verlangt, verschaffen könne.
Gleich in den ersten Tagen merkte er, daß er hier überflüssig sei, so überaus liebenswürdig man ihm entgegenkam. Er kannte das österreichische Wesen noch zu wenig, diese Mischung von hoher Intelligenz, sentimentaler Herzensgüte, Schlamperei, Unzuverlässigkeit, weniger aus berufsmäßiger Falschheit als aus allgemeiner Nachlässigkeit. Der slawische Einschlag macht sich bemerkbar. Dazu kommt dem Preußen gegenüber der eingefressene schwarz-gelbe Dünkel, die Herablassung eines verlumpten, großen Herrn für den angeblichen Parvenü. Infolgedessen merkte er sehr bald, daß der Versöhnungsschritt dieser Sendung, mit der man Österreich ein wirtschaftliches Geschenk machen wollte, so aufgefaßt wurde, als fühle Preußen das Bedürfnis, sich um jeden Preis mit Österreich zu »arrangieren«, was keineswegs, selbst nicht beim König, der Fall war. Daher die flaue Aufnahme der angebotenen Zollunion. Innerlich war Otto davon halb entzückt. Denn das würde in Berlin die Augen öffnen. Doch andererseits waren die Dinge noch nicht reif, und der Rückschlag in Berlin, nachdem die Gelegenheit zur Verständigung abgelehnt, paßte ihm nicht. Bei Thun hatte er den biederen Norddeutschen ohne Falsch gespielt, der auf Österreichs falsches Spiel hereinfiel, sich nur äußerlich jede Ungebühr verbat. In diesem Sinne faßte die österreichische Staatskunst ihn auf. Daß es Preußen im Bundestag gelang, die Zollunion durchzusetzen, schien ein Zufall, nicht Bismarcks Wühlerei verschuldete das. Dem mußte man nur deutlich zu verstehen geben, daß Österreich, dem alle Finger nach Zollunion gierten, kühl bis ans Herz hinan diesem Geschenk gegenüberstehe, dann würde der gut österreichisch gesinnte Mann schon für allerlei Konzessionen zu haben sein. Der Kaiser ließ sich nicht blicken und fuhr nach Keskemet und Budapest, man mußte ihm also nachreisen und antichambrieren. O, wenn man erst wieder auf der Thüringer Bahn säße, die so langsam fährt und so viel Langeweile macht! Dann geht's endlich nach Hause zu Weib und Kind! Unwiederbringliche Zeit geht verloren, und andere Ehegatten, die sich bei Trennung besonders wohlfühlen, läßt man beieinander. Lori, Peppi, Jugerl, Wigerl, lauter schöne Damen bei Frau v. Meyendorff, der Russin, und anderen feineren Gönnerinnen – o, wie schauderhaft, mutterseelenallein zu sein! An Nanne darf ich mein Herz über Politik nicht ausschütten, denn es fällt der Thurn- und Taxis-Gaunerpost in die Hände.
»Waren's schon in Wien, hohe Exzellenz? Doch net. Sonst hätt' man's erfahren aus'm Polizeibericht.« Das war so das übliche Gesprächsthema. O ja, er war schon mal hier. »Inkognito? Serr interessant.« Die Kunde machte die Runde durch die Salons, der Herr v. Bismarck sei schon mal inkognito hier gewesen. Da schauen's! Da steckt was dahinter. Die Preißen. Schlau sind's. Daß der Mensch sozusagen auch mal seineHochzeitsreise machen muß, diese romantische Tatsache hätte ihn freilich den Wienern empfohlen: Er hat G'müet. Natürli, nach Wean macht man immer sein Hochzeitsreisen. Doch eine ihm eigentümliche Keuschheit des Empfindens verbot Otto, ans G'müet der Weaner zu appellieren.
Er ging an dem Haus vorbei, wo sein Beethoven gelebt, der
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