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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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so Gewaltiges in ihm aufstörte, und hatte merkwürdige Gedanken. Die Heroica! Ach, für ihn blies ja doch nie der Sturmmarsch. Dann stieg er hinter Nußdorf zu Schiff und genoß den goldigsten Abendduft über Kloster-Neuburg. Ein Schiff von Linz her fuhr vorüber, »Austria«, mit der er einst fuhr, Nanne zur Seite. Et tu, felix Austria, nube! Aber das Völkerschicksal besteht nicht aus Hochzeitsreisen. Im Grunde hatte er eine Vorliebe für dieses sonderbar gemütliche Österreich, ein halbgeniales Bohemientum. Nicht umsonst liegt Bohemia, wie die Engländer (auch Shakespeare) jedes Fabelland taufen, in den schwarz-gelben Grenzpfählen. Wenn Österreich nicht wäre, mußte man es erfinden.
    Die glühende Innenstadt, temperiert durch schneidende, schwindsüchtige Winde, die am Schottentor sich verfingen, entnervte ihn wie der Glaskasten der zugemachten Fiaker. Doch es war guter Ton, dies alles zu erdulden. Selbst die Wiener Natürlichkeit unterwarf sich dem strengen Gesetz der Mode. So sind die Menschen überall Sklaven.
    Die Schwestern Fürstin Schönburg und Fürstin Bretzenheim, geborene Schwarzenberg, Schwester des verstorbenen Premierministers, den kein Preuße vergessen soll, zogen ihn auf über seine altmodische, spießbürgerliche Ehesehnsucht. Frau v. Meyendorff spottete: »Es treibt Sie aus den Geschäften, um in Frankfurt soeur grise zu spielen. Enfin , Ihre liebe Frau Gemahlin wird's auch ohne Sie überstehen.« (Johanna war wieder guter Hoffnung). Aber Otto erwiderte ruhig: »Verzeihen Sie, meine gnädigen Freundinnen, doch mir war die Ehe wie ein Regenbogen über der Sintflut. Ach, schon hier, wo ich einsam bin, überkommt mich die liebeleere, trostlose Verwilderung meiner jüngeren Jahre. Doch Gottes Barmherzigkeit wird meine Seele nicht fahren lassen, seit er sie einmal angerührt, des trage ich feste Zuversicht. Das glatte Parkett der großen Welt, auf das er mich stellt, wird mich nicht straucheln machen.«
    Nachher fragten die Damen unter sich: Was ist das nun? Ein vollkommener Weltmann, die Manieren eines großen Herrn, gar nicht bloß simpler v. Bismarck, und doch so fromm und sentimental! Dabei gestanden sie sich aber seufzend, daß sie die Frau wohl kennen möchten, an der ein solcher Mann mit ganzer Seele hing. Die sei beneidenswert, und es wäre schön, besonders für die Frauen, wenn alle Männer so wären.
    Obschon durch Frau v. Vrintz in Frankfurt an ihren Bruder Graf Buol empfohlen, fand Otto beim Premierminister einen steigenden Mangel an Kordialität. Wahrscheinlich hatte Thun hiervorgearbeitet. Der Minister des Innern, Bach, empfing ihn mit schlecht verhehlter Abneigung. Sofort zog sich der preußische Emissär steif zurück, jeden Anschein von Dringlichkeit vermeidend.
    »Exzellenz wollen gestatten,« meldete sich der Kanzleivorstand der Gesandtschaft, »Ihrer Mitteilung an den Herrn Ministerpräsidenten liegt die Instruktion an Sie aus Berlin nicht im Original bei.«
    Otto staunte ihn an. »Was meinen Sie? Wo auf der Welt ist denn so was gebräuchlich?«
    »Leider hier, ich bin so lange schon hier eingebürgert, daß ich diese eingerissene Gewohnheit nicht ändern kann.«
    »Sie werden es aber. Ich erlasse mein formales Verbot. Unerhört! Dann wäre ja die Vermittelung des Gesandten ganz überflüssig. Es geht Graf Buol einen Dreck an, welche Instruktion ich erhalte. Das ist Dienstgeheimnis.«
    »Nicht hier. Man wird einfach bezweifeln, ob Eure Exzellenz den Text Ihrer Instruktion innehalten und die Intention unsrer Regierung ausdrücken. Ach Gott, Exzellenz, früher war es ja noch schlimmer, als keine Eisenbahnen fuhren. Da nahm ein k. k. Beamter dem preußischen Kurier an der Grenze sein Felleisen ab, öffnete und exzerpierte die Depeschen, ehe sie an uns weiterbefördert wurden. Und da es bei Thurn- und Taxis-Post überhaupt kein Briefgeheimnis gibt, so schrieb man Briefe an die Gesandten zu dem Zweck, daß scharfe Bemerkungen von der Gegenpartei gelesen werden sollten, die man doch im formalen Geschäftsverkehr nicht anwenden wollte.«
    »Eine entzückende Art von Insinuierung! Ich danke bestens für Ihre Aufklärung. Doch solange ich hier bin, wird Benachteiligung des Dienstes nicht genehmigt. Ich händige Buol meine Instruktionen nicht aus, oder ich stelle die Kabinettsfrage. Das ist ja ein Betragen, als ob wir ein k. k. Paschalik wären. Dazu werde ich meine Hand nie bieten.« –
    »Die Leute sollen bloß nicht wähnen, wir suchten sie mit Empressement«, äußerte er zu

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