Bismarck 01
Hatten Sie hier Erfolg? Man weiß halt doch, warum sich's handelt, die Zollunion.«
»Könnt's nicht sagen, Durchlaucht, Herr v. Bach besteht wie Shylock auf seinem Schein, d. h. was er dafür hält. Denn tatsächlich liegt keinerlei rechtlicher Anspruch vor, unsere eigene preußische Anschauung der Dinge zu durchkreuzen.«
»Der verfluchte Rotüvier mit seiner Judenclique! Die wollen gut kaiserlicher sein als Seine k. k. apostolische Majestät selber und sind natürlich bessere Österreicher als unsereins. Ich bin für Zusammenschluß mit Preußen um jeden Preis. Ist also Ihre Mission gescheitert?«
»Ich fürchte so. Doch ist ja nicht aller Tage Abend.«
Der Kaiser zog ihn in eine Fensternische und flüsterte ihm zu: »Ich habe mein Ministerium beauftragt, den unziemlichen Angriffen gegen Preußen in unserer Presse ein Ende zu machen. Ich setze voraus, daß Seine Majestät von Preußen das gleichtun werden, denn der Ton Ihrer Presse läßt auch zu wünschen übrig.«
»Alleruntertänigsten Dank! Das wird heilsame Folgen haben.«
»Auch für die Zollfrage, mein lieber Herr v. Bismarck? Ich gestehe, daß wir wohl bei dem Programm verbleiben werden, das wir früher aufstellten. Gehen's, geben's a bissel nach!«
»Darin bedaure ich Euer Majestät nicht dienen zu können. Die besonderen Tarife des Kaiserstaats verlangen besondere Behandlung, nicht konform mit den sonstigen deutschen Verhältnissen.« Die Stirn des Herrschers umwölkte sich ein wenig. Mit fürstlichem Takt lenkte er sogleich auf ein anderes Thema ein und erkundigte sich angelegentlich nach Preußens Heerverfassung. Otto stand Rede, der Kaiser horchte aufmerksam und gespannt.
»Es wird Ihnen bekannt sein, daß Ihre Heerreform in den Befreiungskriegen eigentlich von uns ausging, nach dem Vorbild jener Wehrkraft, welche die Weisheit des hochseligen Kaiser Franz schuf.« Das heißt: welche Erzherzog Karl und die Grafen Stadion gegen den Willen des verknöcherten Absolutisten schufen, dem die Landwehr ebenso ein Greuel war wie der Tiroler Aufstand, der ohne rechtmäßige Obrigkeit auf eigene Hand das Volk bewaffnete. »Bei veränderten Zeitläuften müßten natürlich diese etwas demokratischen Grundsätze fallen. Das System der Reservemannschaften und der Landwehr ersetzten wir durch erhöhtes Kontingent der gewöhnlichen Rekrutierung. Reüssiert denn bei Ihnen immer noch die Landwehrgattung? In der greulichen Revolution soll sie sich sehr schlecht benommen haben.«
»Zum Teil, ja. Man wird natürlich gut tun,« er wollteunvorsichtig von Reform der Landwehr reden, wie der Prinz von Preußen es vorhatte, verschluckte aber eiligst diese »Information« und fuhr fort: »sich nicht allzusehr darauf zu verlassen.«
» C'est ça. Das scheint mir eine Schwäche Ihrer Wehrmacht. Immerhin bleibt Preußen militärisch sehr stark. Wir haben ein Interesse daran, dies zu beachten, weil wir in auswärtigen Fragen doch wohl zusammenstehen müssen.« Der Monarch sah den Vertreter Preußens vielsagend an. Aha! dachte dieser. Komplikationen im Osten am Balkan oder Wirren in Italien. Bis zur Märzrevolution ließ uns Österreich in Deutschland ziemlich freie Hand, wenn wir ihm nur in europäischen Fragen Gefolgschaft leisteten. Seither wollte es uns auch in Deutschland zum Lehensträger degradieren. Das wird jetzt anders, der frühere Zustand tritt ein. Um so mehr wollen wir festbleiben im schwebenden kommerziellen Punkt. Um sich zu decken, telegraphierte er in Chiffre nach Berlin, ob er irgendwelche Konzessionen machen solle bei der letzten entscheidenden Unterredung mit Buol. Knapp rechtzeitig traf die inhaltsschwere Antwort ein: »Nein!«
*
Mit stiller Ironie betrachtete Otto die Selbstbenennung seines Gasthofs, wo er wieder einkehrte: »Römischer Kaiser«. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ging von den Staufen auf die Habsburger über, und wenn längst das Wesen schwand und sie die Bürde niederlegten, so bewahren sie in Gedanken den Titel. Sie pflegen auch noch verwandtschaftliche Beziehung zu Spanien, trotz der gewechselten Dynastie, als lebte noch das Reich Karls V., und sind des Papstes liebste Schildgarde. Ein katholischer Islam.
Nun ja, auf der Karte nahm sich die Zentralmacht Deutschland-Österreich stattlich aus, einst sogar Holland und Schweiz, bis zur Jahrhundertwende Belgien in Händen, so daß weder Türken noch Franzosen als Eroberer auf die Dauer diesem Block gewachsen waren. Auch die Französische Revolution und Napoleon selber
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