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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Macht ab, bis wir fertig sind.
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In Irsa gab man ihm einen Trupp galizischer Ulanen als Eskorte mit, als Schutz gegen die romantischen Räuberbanden, die Petyaren, meist aus Kleinadel der Pußtadörfer entsprungen. Sie trabten mit gespanntem Karabiner neben dem rumpelnden Leiterwagen, den ein Bauer mit weißen Türkenhosen und gespornten Kanonenstiefeln kutschierte. So ging's nach Keskemet über tellerflache endlose Grasebene. An einem Ziehbrunnen unter kahlen Pappeln brüllte ein Büffelschwarm die Galoppierenden an, Hasen stoben dahin, Wildgänse und Wildenten flogen kreischend auf, Zieselhamster huschten vorbei. Die Hitze schälte die Haut vom krebsroten Gesicht, die Heuschicht im Wagen dünstete davon aus mit betäubend süßem Geruch. In Szolnok liefen Madjaren, Slowaken, Walachen bunt durcheinander, die Weiber in den grellsten Farben. Otto musterte das Bild mit Maleraugen und klagte, daß er nicht zeichnen könne, ein Lessingscher Raffael ohne Arme, und hörte den grellen Dissonanzen von Pußtaliedern mit Musikerohren zu. Dagegen nahm sein deutscher Geschmack Anstoß an den kropfartigen Busen, die sozusagen schon unter dem Kinn beginnen, und an einem Risotto mit Krebsschwänzen, der in gelbem Fett und rotem Spaniolenpfefferschwamm. Auf Paprika-Hähndl und Stürlfisch folgten rohe Maiskolben als Nachtisch. Tokayer Ausbruch war zwar nicht zu verachten, doch die wahren Leckerbissen blieben ihm versagt. Denn wer in Ungarn nicht Ferkel am Spieß gebraten im Tannenwald und gewisse Teile des Ziegenbocks und dazu Roten aus Bocksbeutel genossen hat, der hat die wahre Räuberromantik nie erlebt, den feisten Schafskäse nicht zu vergessen. Und die gehofften Räuber hielten sich versteckt in des Waldes tiefsten Gründen, obschon sie gestern achtzig Reisende ausplünderten. Die Ulanen waren ihnen unsympathisch. Ach, selbst in Ungarn ist das Heldenzeitalter vorüber.
    »Hat Schwob sich mal satt gefressen«, meinte ein alter Pächter wohlwollend. »Bei ihm zu Haus' lauter Hungerleider.« Und mehrere spuckten aus: »Nemet!« (deutscher Hund!) Dagegen grüßte ein behäbiger Bauer durchs Fenster hinein: »Grüß Gott! Gott gesegn's!« und stellte sich als Banater Schwabe vor. Auf Ottos Erkundigung, wie es den zahllosen Deutschen im Banat und in den Siebenbürger Sachsengebieten ginge, hieß es: »Danke der Nachfrag'. 's geht uns allen guet, sehr. Aber seit der Revolutschon sind die Ungarn wüscht und woll'n uns unsre Muttersprache aus dem Mund nehmen, wenn sie könnten. Das sagen's nur draußen im Reich, wir sein gute Dütsche.« Ob sich da nicht eine Brücke schlagen ließe zwischen uns und diesem urwüchsigen, starken Madjarenvolk, das einen Kossuth und Görgey, einen Deak und Szecheny hervorbrachte? Ein Nationaldichter, ein gewisser Petöfi, fiel als Honvedmajor auf deutsch-ungarischer Erde bei Schäßburg im Sachsenland gegen die Russen. Es wäre aussichtsreich, mit Ungarn in Wechselverkehr zu treten. Seltsame fernliegende Gedanken flogen ihm durch den Sinn. Die Russen waren seine lieben Freunde und Kossuth ein scheußlicher Revolutionär, aber –! Wer weiß, was noch werden kann!
    Die Aussicht auf die Ofener Waldgebirge von der Zitadelle war gewiß sehr schön, doch die Aussicht auf baldigste Heimkehr noch schöner. Allerdings hatte man ihn mit Liebenswürdigkeiten überschüttet und ihm auch den Eindruck geben wollen, als ob die höchsten Militärkreise ganz für Preußen eingenommen seien, besonders die nächste Umgebung des Kaisers. Feldmarschall Fürst Windischgrätz überfiel ihn förmlich in einer Gesellschaft mit stürmischen Ausbrüchen seiner prussophilen Begeisterung. Er ließ ihn den ganzen Abend nicht los und redete ununterbrochen auf ihn ein, daß er uneingeschränkte Wertschätzung für alles Preußische als Leitstern wähle. »Ihre Armee ist ein Muster von Königstreue und Disziplin, Ihre Beamten haben nur ein Ideal: travailler pour le roi de Prusse – aber nicht, hehe, im Sinne des französischen Sprichworts. Schauen's, für alle Gutgesinnten gibt's nur eine Richtschnur: Freundschaft, innigste, zwischen uns Zentralmächten. Da ist der Cujon Bonaparte in Paris,« er sah sich stolz um, als wolle er sagen: mir kann keiner wasverbieten, kein Spitzel kommt mir nahe, »der spinnt Unheil. Doch das teure Preußen wird uns stärken im heiligen Krieg wider welsche Demokratie und bonapartische Räuberei.« Vertraulich fuhr er fort: »Ich will mich nicht in Ihr Vertrauen drängen, doch die Frag' ist wohl erlaubt:

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