Bismarck 01
mit dem gekauften Freiherrntitel, der jetzt Frankfurt vertritt, rächt sich für mein Schneiden seiner werten Person, und Nassau war immer rheinbundschwanger. Nicht mal dem Ausland stellen wir eine vereinte Front entgegen.« Ruhig fügte er hinzu: »Ich setzte mich sofort mit Thun in Verbindung.«
Auf die Andeutung, der Zar werde außer sich sein, enthüllte sich wieder mal Österreichs Ranküne gegen den einstigen Retter. Hieß doch das politische Testament Schwarzenbergs: »Wir werden die Welt durch unsern Undank in Erstaunen setzen.« Mit wohlwollendem Lächeln, Macchiavellis würdig, klärte Thun ihn auf: »Ich bin abberufen, liebster Kollege, und bis mein Nachfolger eintrifft, werden Sie die Präsidentschaft führen. Ihnen also liegt ob, in Ihrer staatsmännischen Weisheit die verschiedenen divergierenden Bächlein der Meinungen in den richtigen Kanal zu leiten. Ach, mein Leberleiden zwingt mich schon lange zur Ruhe und Mäßigung, und ich wandere nach Karlsbad, indes Sie, liebe Exzellenz, die Lösung des etwas peinlichen Dilemmas im Namen Deutschlands leiten. Bonne chance! «
Eine echt österreichische Hinterlist. Ob die Anerkennung Napoleons oder das Gegenteil den Deutschen mißfiel, in jedem Falle hatte jetzt Preußen die Verantwortung zu tragen, während die Donaumacht außerhalb des Bundestags mit Frankreich verhandelte. Die Gesandtschaftsbeamten Zittelmann, Kelchner, Wenzel – letzterer ein Faktotum aus Rochows Zeit – bekamen strenge Arbeit, denn ihr Oberer ließ sich Tag und Nacht keine Ruhe, um vor allem den Berliner Hof zu überzeugen, daß sich gegen schleunige Anerkennung des Pariser Gewalthabers nichts machen lasse. Otto sah ein, daß Österreich sicher dem Empereur zulächeln werde. Preußen durfte nicht allein draußen bleiben, bloß für die schönen Augen des Zaren. Ein französisches Journal, das in Frankfurt erschien, nannte als angeblichen Eigentümer den Baron Vrintz, Schwager des österreichischen Ministerpräsidenten. Das Reptilblättchen schwelgte sofort in begeisterten Verzückungen für Kaiser Louis. Unverzüglich begab sich Otto zu Vrintz und gratulierte ihm: »Sie haben also direkte Beziehungen zu dem Kaiser in Paris.«
»Was denken Sie von mir!« rief der naive Baron mit tugendhafter Entrüstung. »Wie würde ich bestellte Arbeit solcher Art aufnehmen!«
»Hm, Sie werden nicht leugnen, daß es den Anschein hat. Ich sende heut nach Berlin ein Exemplar –«
»Dann bitte ich Sie, solchen Kommentar zu unterlassen!« rief Vrintz ängstlich. »Um Ihnen den Ungrund Ihres Argwohns darzutun, die Artikel stammen aus Wien.«
»Ah, ich danke Ihnen, Sie haben mein Mißtrauen zerstreut.« Nun wußte er, was er wissen wollte, und als bei einer nächsten Sitzung die französische Frage angeschnitten wurde, eilte er spornstreichs nach Hause und erstieg in seinem Garten eine Leiter, von wo er das Haus des französischen Gesandten, sehr in seiner Nähe gelegen, beobachten konnte. Es dauerte nicht lange, daß der Württemberger Reinhard das Haus Tallenays verließ. Bald darauf stieg auf dem Bockenheimer Bahnhof der hessische Minister Dalwigk aus, ein erbitterter Feind Preußens und Welschgänger, begab sich zu Tallenay und fuhr bald wieder mit dem Zug nach Darmstadt ab. Wie ist dieser Versuch zu erklären? fragt der Lehrer in der Physikstunde.
Manteuffel erwies sich plötzlich als »Bonapartist«. Er begünstigte die Broschüre eines von ihm entdeckten und besoldeten literarischen Klopffechters, namens Rhino Quehl, worin der Staatsstreich als Sieg über das Revolutionsprinzip angehimmelt wurde. Die Unentwegten der konservativen Partei erschraken darüber und blieben bei der ziemlich richtigen Auffassung, daß »Bonaparte«, wie der brave Gerlach bis an sein seliges Ende den Empereur betitelte, die fleischgewordene Revolution sei wie einst sein sogenannter Onkel. Viele andere Konservative begrüßten aber in ihrer völligen Grundsatzlosigkeit und kindlichenpolitischen Unreife den furchtbaren Tyrannen als einen famos schneidigen Burschen, der mal dem Bürgerpack Mores lehrte, d. h. sie fielen auf den gleichen Zauber herein, der einst dem großen Napoleon die warme Anerkennung aller Dynastien gewann, weil er »den Abgrund der Revolution geschlossen« habe. Daß dies unter Organisierung aller wahren Revolutionserbschaft geschah, und daß auch heut der gekrönte Abenteurer als Schirmherr des »freiheitlichen Liberalismus« auftreten werde, daß so die seit dem Pariser Frieden so sehr
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