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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Luxus eines viel größeren Freiheitszumaßes gestatten, als sonst in Deutschland möglich wäre. Erinnern Sie sich der neulichen Debatten in der sächsischen Kammer?«
    »Über den Bundestag, die so großes Aufsehen in ganz Deutschland machten?«
    »Ja, aber viel größer wäre der Eindruck in der preußischen Kammer gewesen. Preußen sollte freie Diskussion gestatten über die deutsche Frage, den Bundestag, dessen Schwierigkeitsmaschinerie und die undeutsche Mache unserer Gegner, dann würden ein paar Parlamentsreden genügen, um unserer schnöden Majorität den Mund zu schließen. Die Entstellungen bezahlter Skribenten können nicht eher zertrümmert werden, ehe nicht diepreußische Presse des ganze Material über diesen sogenannten Deutschen Bund bekommt und die äußerste Freiheit, sich ungescheut auszusprechen. Die uns nötige Bundespolitik kann nur gestärkt werden durch breite Publizität. Sonst würde man die ekeln Mysterien dieses »Bundes« nie aus den Schleiern lügnerischer Zeitungsgewebe ans Tageslicht ziehen.«
    »Die ich rief, die Geister ...« zitierte Lynar halblaut. Doch dieser Zauberlehrling fürchtete sich weder vor Geistern noch Zauberern: »Mir gleich. Später würden wir schon damit aufräumen, doch zurzeit ist jede Waffe recht.« Er setzte wirklich durch, daß der Bundestag sich dem preußischen Preßgesetz anbequemte. Einschreiten gegen verdächtige geheime Gesellschaften nahm er nur deshalb zur Unterlage des Ausgleichs in der Pressesache, weil jedes Carbonari-Treiben ihm dem deutschen Charakter zuwiderlaufend erschien. Garibaldi und Mazzini würden bei uns nur Unheil stiften. Als die unerhörte Sprache der radikalen Braunschweiger Presse einige Jahre später vor den Bundestag kam, empfahl er Unterdrückung mit dem naiven Zusatz: »Braunschweigs Haltung letzthin war nicht der Art, um uns Rücksicht aufzuerlegen.« So völlig war ihm alles jetzt der auswärtigen Staatspolitik untergeordnet, daß ein preußenfreundliches Braunschweig von ihm nie etwas zu fürchten gehabt hätte. Wie sehr der konservative Parteimann in ihm abstarb und wie seine Feinde nicht so ganz fehlgingen, wenn sie ihn der Begünstigung demokratischer Bestrebungen bezichtigten – er begünstigte nicht, aber ließ im nationalen Interesse gewähren –, das zeigte alsbald die Lippesche Frage.
    »Der Fürst von Lippe hat seinen Landtag aufgelöst und die Verfassung aufgehoben«, teilte ihm Scherff im März zuerst mit.
    »Auf Österreichs Antrieb. Eine Eselei! Da wird man zu tun bekommen.« Schneller als ihm lieb war, denn sogleich erschien bei ihm ein Assessor Petri aus Lippe, der im Namen des Landtags seinen Schutz erbat. »Wir reichen einen Protest beim Bundestag ein und rechnen auf dero Protektion. Deutschen Patrioten blieb nicht unbekannt, daß Ew. Exzellenz, was immer Ihre früheren Meinungen gewesen sein mögen, für die Sache des Rechts und der liberalen Entwicklung eingenommen sind. Dero Verteidigung der Preßfreiheit fand in allen deutschen Gauen freudigen Anklang.«
    »Ihr Vertrauen ehrt mich. Ich glaube, Sie können auf mich zählen.« Gleich darauf schrieb ihm der Fürst zu Lippe und bat um seinen Beistand. Er werde seinen Staatsrat Fischer als Dolmetsch seiner Gesinnung senden und sei ja auch des österreichischen Schutzes versichert. (Thun befand sich noch in Frankfurt in angeblich leidendem Urlaubszustand bis Ende des vorigen Jahres. Otto ließ ihm durch Frau Nanne aus Blankenburg am Harz, wo er eine Hofjagd mitmachte und ein eigenhändig vomKönig geschossenes Wildschwein als Geschenk nach Hause schickte, die freudige Botschaft vermitteln, Thun werde als Botschafter nach Berlin versetzt werden. Er fiel also die Treppe hinauf, sein entschiedener Mißerfolg in Frankfurt wurde ihm nachgesehen wegen seines Feuereifers, Preußen zu schädigen.) Aber Prokesch entpuppte sich in seiner ganzen Pracht. Otto war überrascht von so viel Staatskunst. Dem Bundestag beliebte nämlich gar nicht, dem deutschen Volke ein solches Odium zu geben wie brutalen Verfassungsbruch über Nacht (zu langsamem, schleichendem bereit genug) und zeigte sofort unverkennbare Mißbilligung, am lautesten Österreich. Das sei ja ein Skandal, so was dürfe man nicht dulden. Unstreitig spekulierte Prokesch darauf, daß Bismarck, den er nur als reaktionären Ultra kannte, sich des Fürsten annehmen und dadurch alle Achtung der Liberalen verscherzen werde.
    Als er dem apoplektisch dicken Staatsrat Fischer die Lage auseinandersetzte, rief dieser:

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